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De Hadeln will Krieg

■ Der finnische Wettbewerbsfilm „Der Winterkrieg“ von Pekka Parikka

Im Jahre 1939 erklärt Stalin Gebietsansprüche an Finnland. Finnland ist nicht einverstanden. Es kommt zum Krieg, den das heldische Kleinvolk gegen die übermächtigen Steppensöhne - so werden sie im Film genannt - gewinnen wird. Der Winterkrieg hat 105 Tage gedauert, Winterkrieg dauert dreieinviertel Stunden - 195 Minuten zu viel. Der Film ist mit ungeheurem Aufwand produziert. Die finnische Kinoindustrie wird das kaum allein auf die Beine gestellt haben. Fernseh- und Steuergelder werden drinstecken. Ein Wandgemälde fürs Kreiswehrersatzamt.

„Wie so oft in der Geschichte“, heißt es im Film, „ist der finnische Mann gezwungen, zur Waffe zu greifen.“ Bomben reißen Löcher ins jungfräuliche Schneeweiß, und finnische Krume rieselt herab. Pferde dampfen, die Kameradschaft ist rauh aber herzlich. Stahlgewitter und Essenfassen im Unterstand. Mehrmals beteuert der finnische Mann, bis zum letzten Blutstropfen kämpfen zu wollen: mit Molotow -Cocktails gegen Panzer und zu Weihnachten mit dem Choral Ein feste Burg gegen russischen Artilleriebeschuß. Ein ergreifender Moment. Immer wieder gelingt es dem finnischen Mann, den zahlenmäßig weit überlegenen „Ruß“ - so heißt er in den Untertiteln - in die Flucht zu schlagen. Als der finnische Mann endlich siegt, sieht er nicht glücklich aus. Krieg ist ein hartes Geschäft.

Nicht daß der Film nicht pflichtgemäß die Auskunft erteilte, daß Krieg an sich schrecklich ist. Einen Kameraden zerreißt es zum Beispiel in der Körpermitte - keine Angst, die obere Hälfte ist gleich tot. Seine Freunde sammeln ihn ein und sind besonders traurig.

Kein Kriegsfilm, der nicht von sich behauptete, gegen den Krieg zu sein. Winterkrieg kann gar nicht genug Schrecken zeigen. Aber der Film erliegt dem obszönen Bann der Gattung. Je tiefer er den Schrecken anblickt, desto schöner blickt er zurück. Wie alle Filme ist auch dieser gezwungen zu unterhalten, zu überbieten, zu rühren und zu arrangieren. Feuerbälle, spätromantisches Orchester, Teleperspektiven, diesiges Winterlicht, endlose Marschkolonnen, sausende Gewehrkugeln, Ich hatt‘ einen Kameraden, Augen zudrücken. Das sind alte Geschichten. Winterkrieg ist so skandalös wie 999 von tausend Kriegsfilmen. Man braucht gar nicht drüber zu reden. Das ist bei anderen Kriegsfilmen oft genug gesagt worden. Winterkrieg wird nicht in die deutschen Kinos kommen, und das deutsche Fernsehen wird ihn hoffentlich nie einkaufen.

Altbekannt ist auch, daß die meisten Filme, die man auf Filmfestivals zu sehen bekommt, mittelmäßig oder schlecht sind. Nur sollte ein gewisser Grad an Infamie selbst im Wettbewerb der Berlinale nicht überschritten werden. Hat die Auswahlkommission geschlafen, als ihr Winterkrieg vorgeführt wurde? Ist ihr der Film durchgerutscht? Die Fragen lassen sich eindeutig mit nein beantworte. Winterkrieg ist ja nicht der erste Film im diesjährigen Wettbewerb, der offen oder verdeckt Krieg rechtfertigt, sondern schon der dritte. Allen Ernstes verteidigt Oppenheimer in Joffes Shadowmakers die Atomwaffenforschung mit der künftigen zivilen Nutzung der freigesetzten Kräfte, in Oliver Stones Born on the 4th of July geht es nicht eigentlich gegen Krieg, der bei ihm im alles verklärenden Sonnenuntergang stattfindet, sondern gegen die „Sinnlosigkeit“ des Vietnamkriegs und um die Rettung des versehrten Helden, und in Winterkrieg ficht ein Vaterland einen gerechten Kampf. Diese Wettbewerbsauswahl muß man als offene politische Tat nehmen: De Hadeln will Krieg. Wann schießt Anke Martiny zurück?

Thierry Chervel

„Talvisota - Der Winterkrieg“, Regie: Pekka Parikka, Finnland 1989, 195 Minuten.

20.2. Uranie 18.30 Uhr, Kosmos 19.30 Uhr.

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