Japans Frauen zwischen Hoffnung und Angst

Die Redaktionschefin der Tageszeitung 'Asahi Shinbun‘ Yayori Matsui zum Wahlausgang.  ■  I N T E R V I E W

Die Zahl der LDP Abgeordneten hat sich am Tag nach den japanischen Parlamentswahlen durch den Zulauf von elf unabhängigen Abgeordneten von 275 auf 286 erhöht. Damit erhält die seit 35 Jahren regierende Partei auch in allen Parlamentsausschüssen die Mehrheit. Als stärkste der Oppositionsparteien konnten die Sozialisten unter Takako Doi eine Mandatssteigerung von 85 auf 136 verbuchen.

taz: Die japanische Opposition hat eine Chance vertan. Sind Sie über den Wahlausgang enttäuscht?

Yayori Matsui: Ja, natürlich. Die Mehrheit der Japaner will doch den Status quo bewahren. Sie kümmern sich um ihren Wohlstand, nicht aber um politische Moral und Menschenrechte. Trotzdem bewahre ich Hoffnung. Die Zahl der gewählten Frauen ist gestiegen. Insbesondere die Wählerinnen standen der Regierungspartei kritisch gegenüber und viele haben die Sozialisten gewählt.

Ist der Elan der Wählerinnen verflogen?

So einfach ist das nicht. Nach wie vor ist eine kritische Grundströmung bei den Frauen vorhanden. Viele Frauen in Japan sind hin- und hergerissen zwischen einer ziehmlich unbegründeten Angst vor radikaler Veränderung und dem Wunsch nach einer aktiveren Rolle in der Politik. Die älteren sind immer noch abhängig von der Entscheidung des Mannes oder der Gemeinde, die jüngeren wiederum sind apolitisch. Es braucht Zeit, unsere starken Traditionen zu ändern.

Hat die Sozialistenchefin Takako Doi im Wahlkampf Fehler gemacht.

Nein. Aber sie kontrolliert die eigene Partei nicht. Noch immer sind die Sozialisten eine sehr altmodische und bürokratische Partei.

Und was raten Sie Frau Doi heute?

Auf jeden Fall soll sie Parteichefin bleiben. Die Sozialisten sind bisher stark von den Gewerkschaften abhängig, deren Rolle zunehmend Status-quo-orientiert ist. Die Partei sollte mehr auf die die Unterstützung von Bürgerinitiativen und Verbrauchergruppen setzten. Frau Doi hat gezeigt, daß sie dies organisieren kann. Der Wahlerfolg der sozialistischen Kandidatinnen ist richtungsweisend. Diese Frauen waren ja völlige Newcomer, führten einen unkonventionellen Wahlkampf und gewannen trotzdem hoch.

Interview: Georg Blume