Vertriebenen-Chef Herbert Czaja droht

■ Polnische Westgrenze soll permanent in Frage gestellt werden / Niggemeier gegen Mitsprache anderer Staaten über Einheit

Bonn (taz) - Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Herbert Czaja, droht mit anhaltenden nationalistischen Unruhen für den Fall, daß die Oder-Neiße-Grenze verbindlich anerkannt würde. „Wenn das Schlimmste käme“, so umschreibt Czaja den „ersatzlosen Verzicht“ auf Ostprovinzen „dann bliebe nur eine stetige Bewegung des gewaltlosen aber entschiedenen Revisionismus...“ Das gäbe einen großen Herd der Unruhe und der Unsicherheit in Europa. „Unserem Revisionismus würden sich verstärkt geschichtsbewußte Nichtvertriebene, aber auch andere nationale Opfer fortdauernden Unrechts anschließen.“ Im Hinblick auf militante Stimmungen auch unter Deutschstämmigen im polnischen Schlesien spekuliert der Vetriebenenhäuptling offenkundig darauf, daß die polnische Westgrenze faktisch weiter permanent in Frage gestellt würde, auch wenn sie als Preis der Wiedervereinigung völkerrechtlich anerkannt wäre. Vorerst will Czaja noch für einen „gerechten Ausgleich“ kämpfen: Der Besitzanspruch auf „Ostdeutschland“ müsse den „riesigen Schadenersatzforderungen“ des Auslands entgegengehalten werden, die bei der Wiedervereinigung auf die Deutschen zukämen. Andernfalls gelte: „Gegen totale Verzichtspolitik kann man nur entschiedene Revisionspolitik setzen!“ Den polnischen Wunsch, an den Gesprächen der vier Siegermächte mit den deutschen Staaten teilzunehmen, bezeichnet der Generalsekretär der Vertriebenenbundes, Koschyk, als „Vermessenheit“. Daß rüde nationalistische Töne allerdings nicht den Vertriebenen vorbehalten sind, beweist einmal mehr der SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Niggemeier. Ohne Polen namentlich zu nennen, verwahrt auch er sich gegen „die in einigen europäischen Hauptstädten jetzt geäußerten Forderungen“ nach Mitsprache über die deutsche Einheit. Das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen könne durch jene Staaten „nicht einfach deshalb“ eingeschränkt werden, „weil davon auch ihre nationalen Interessen betroffen sein können“.

Charlotte Wiedemann