Modellhafte Leukämieforschung

■ Sittensen: Umfassende Untersuchungen ohne Rücksicht auf Kosten angeschoben

Das niedersächsische Sozialministerium in Hannover hat eine Expertenkommission eingesetzt, die in einem Untersuchungsprogramm mit unbestimmten Kosten („Mindestens sechsstellig“, Adolf Windorfer, Leiter der Abteilung Gesundheit) die rätselhaften, weil statistisch stark überhöhten Kinder-Leukämiefälle in Sittensen erforschen soll. In enger Zusammenarbeit mit der Kommission soll die „Arbeitsgruppe Leukämie in Sittensen“ das bundesweit einmalige Projekt begleiten. In dieser Arbeitsgruppe sitzen neben Adolf Windorfer vom Ministerium Vertreter von Schulen und Gemeinde, ElternvertreterInnen, Bürgerin

itiative, Ärzte und Vertreter von Kreis- und Landesämtern.

Ihnen wurden am Montag Abend in der konstituierenden Sitzung bei heftiger Debatte (vgl. Kasten „Zu diesem Mann...“) im Heimathaus der Gemeinde Expertkommission und Untersuchungsprogramm sowie erste Meßergebnisse vorgestellt.

Umfassend und ohne Rücksicht auf entstehende Kosten werden Untersuchungen in zwei Stufen durchgeführt. Mit dem Programm der ersten Stufe werden Luft- und Bodenbelastung in Sittensen überprüft. Hierbei wird auch ein Auge auf die ortsansässige Ziegelei geworfen, die für die Bevölkerung wegen zahlrei

cher Vorfälle aus den vergangenen Jahren hauptverdeächtigt wird was Emmissionen von Benzol und Dioxin anbelangt. Zum Problemfeld Bodenbelastung werden u.a. auch Deponien, Altlasten und Grundwasseruntersuchungen einbezogen. Professor Riehm von der medizinischen Hochschule Hannover wird sich in onkologischen Gesprächen mit den betroffenen Familien auseinandersetzen. Dr. Wilde, Kinderärztin am Ort, führt in den kommenden Wochen ausführliche Befragungen durch.

„Auf der Suche nach den Ursachen müssen wir auch Felder berücksichtigen, die in der Forschung bisher nicht verfolgt wurden“, erklärte Kommissionsleiter Aurand der Arbeitsgruppe.

Es sollen jedoch auch Gutachten eingeholt werden, die den Zusammenhängen von Leukämie und Tieffluglärm, Leukämie und Magnetfelder sowie Leukämie und Tierhaltung nachspüren.

Falls erste Ergebnisse weitergehende Untersuchungen in einer zweiten Stufe nahelegen, werden zum Beispeil Korrelationen zu Orten mit gleichen Risikofaktoren, Mutagenitätstests in Urinproben, Chromosomenanalysen o.a. in Auftrag gegeben. In ersten Messungen nach Radonwerten in Sittensen hatten sich keine Auffälligkeiten ergeben. Im Trinkwasser waren bisher nur Rückstände von Pestiziden in den üblichen (und bisher nicht Besorgnis erregenden) Mengen gefunden worden. Dies referierte der heftig umstrittene Professor den Anwesenden. Die forderten dann auch vorsorglich sämtliche Ergebnisse und Gutachten in Kopie zu erhalten. „Unsere Vorbehalte sind nicht aus der Welt, nur weil wir uns jetzt sachlich auf diese Tagesordnung eingelassen haben“, betonte Beate Teßmann abschließend. Die Sorge um das Wohl ihrer Kinder werde sie weiterbohren lassen.

ra