Schichauweg-Pläne überrollt

■ Senat: Nagel-Pläne für Schichauweg noch nicht das letzte Wort / „Andere Überlegungen“ denkbar / Autoclub ACE fordert Verzicht auf Grenzübergang

Jetzt kommt auch der geplante Grenzübergang Schichauweg unter die Räder. Während manche im Rathaus Schöneberg schon erwarten, daß das Projekt „in ein paar Wochen völlig gegenstandslos“ wird, deutete Senatssprecher Kolhoff den Rückzug gestern immerhin an. Die neuen Pläne für Grenzübergang und Autobahnzubringer, die Bausenator Nagel erst kürzlich vorgestellt hatte, seien noch nicht das letzte Wort, sagte der Sprecher auf taz-Anfrage. „Im Zuge einer regionalen Verkehrswegeplanung“ sei es durchaus denkbar, „zu anderen Überlegungen“ zu kommen.

Anlaß: Gestern forderte sogar ein Automobilclub, auf das 300-Millionen-Mark-Projekt ganz zu verzichten. Angesichts der offenen Grenzen sei dieses Vorhaben „wirklich nicht notwendig“, sagte Erich Dankert, der Berliner Chef des DGB -Auto-Clubs Europa (ACE). Der neue Übergang sei „sachlich nicht erforderlich, politisch nicht sinnvoll und ökologisch an dieser Stelle unverantwortlich“, erklärte Dankert in einem offenen Brief an Senator Wagner. Die für den Schichauweg eingeplanten Steuergelder sollten besser „für die Verbindung innerstädtischer Straßen aufgespart werden, wenn die Trennung völlig aufgehoben wird.“ Die Planungen für den Schichauweg sollte Wagner „einstellen lassen“, forderte der ACE-Chef.

Wagner-Sprecher Göbel lehnte diese Forderung zwar ab, begründete die Weiterarbeit allerdings nur noch mit den geltenden Verträgen zwischen der Bundesregierung und der DDR. Die Momper-Linie - bloß keine Verträge anzweifeln, auch wenn sich ringsum alles ändert - verteidigte auch Senatssprecher Kolhoff: „Wir können nicht alle Verträge aufkündigen, weil es andere Perspektiven gibt.“ Die DDR wäre dem im Fall Schichauweg allerdings nicht abgeneigt. Wenn der Senat auf das Projekt verzichten wolle, sei das „ein Verhandlungsthema“, hatte der für Westverhandlungen zuständige Mitarbeiter des DDR-Verkehrsministeriums, Krink, auf einer Diskussionsveranstaltung Ende Januar angekündigt.

Nur Verkehrsminister Zimmermann (CSU) bleibt fest auf Betonkurs. Der Übergang Dreilinden sei „überlastet“, der Schichauweg deshalb „nach wie vor erforderlich“, erklärte Sprecherin Gabriele Grimm. „Auch in einem vereinigten Deutschland sind Transitwege wichtig“, ergänzte die Sprecherin. Wenn man das in Berlin anders sehe, sei das für Bonn kein Grund, von diesen Plänen abzurücken. Schließlich, so die Sprecherin, sei die Verkehrspolitik des Senats auch in anderen Fällen „nicht immer positiv“ für „die Bürger“.

Erich Dankert vom Autoclub ACE, der die Westberliner Proteste gegen das Straßenprojekt etwas besser kennt als die Zimmermann-Planer in der fernen Noch-Hauptstadt Bonn, sah das gestern genau andersrum. Der Senat könne doch kaum das Interesse haben, sich ausgerechnet hier „mit den Bürgern anzulegen“.

Hmt