Standbild: Keine Kugel für Mozart

■ Casanova - der wilde Pfau

(Casanova - der wilde Pfau, ARD, 20.15 Uhr) Kultur lohnt sich. Während die Kabelkunden von RTLplus bis um 23 Uhr auf ihr Männermagazin warten mußten, wurden die Seher „in der ersten Reihe“ schon etwas früher bedient. Natürlich begnügte sich die öffentlich-rechtliche Mär von Erotik und Manneskraft nicht mit dem Blick auf die riesigen Motorradballons des US-Milliardärs Forbes oder die weichzeichnergefilmten Mädchen an Thailands Stränden. Kunst ist scheitern. Wer böte sich da spontaner an, als der legendäre Giacomo Casanova. Er befand sich am montäglichen Sendeplatz für harte Jungs von Baby Schimmerlos bis Peter Strohm gewiß in bester Gesellschaft. Dergleichen läßt sich vom Regisseur Jaroslav Soukup kaum behaupten. Spätestens seit Fellinis Casanova von 1976 ist die Demaskierung des Abenteurers als tragischer Held einer Leistungsgesellschaft besonderer Art keine Novität mehr. Doch in der seltsamen, neuen ARD-Reihe Berühmte Duelle scheinen die historischen Hintergründe nicht so wichtig zu sein. Das Hauptaugenmerk legte der Film auf telegene Bilder, die zwischen Action, impressionistischem Landschaftsidyll und Kerzenscheinromantik schwankten. Gelegentlich nahm die Kamerablende die Optik eines Fernrohres an und verdeutlichte darin auch die Perspektive der Erzählung mit ihren wirren Zeit- und Ortswechseln. Inspiriert wurde das Projekt sichtlich durch die 1988 erschienene deutsche Übersetzung Giacomo Casanova: Das Duell oder Versuch über das Leben des Venezianers G.C., herausgegeben von Hartmut Scheible. Jener erste autobiographische Text und Vorläufer der zwölfbändigen Memoiren zeigte den Venezianer als weniger an den Frauen denn am Ruhm interessiert - das Duell quasi als Adelsdiplom. Im Film streht das Ereignis jedoch unvermittelt am Schluß, als habe da jemand noch nichts von dramaturgischem Aufbau gehört. Figuren wie Mozart schienen direkt der Seifenoper entliehen. Auch die Sprache wurde locker genommen. „Ich bin nicht das Ungeheuer, du Hosenscheißer“, beschied Casanova dem Komponisten nach der Uraufführung von dessen Don Giovanni. Aber Mozart hatte noch mal Glück und bekam kein Kugel. „Meine Abwege zeigen den denkenden Lesern die rechten Wege, sie können aus meinen Verwirrungen die große Kunst erlernen, wie man sich über dem Abgrund in der Schwebe erhält“, schrieb einst Casanova. Wir hingegen lernen nur eines: die Geduldigkeit der magnetischen Aufzeichnung. Casanova - die Schießbudenfigur, der Malboro-Mann, der sarkastische Philosoph oder was? Ob sich der ehtnographische Blick auf die Männerrituale in den weiteren Duellen vertieft, bleibt fraglich. Die angekündigte Prominenz von Winnetou bis Puschkin läßt Illustres erwarten.

Dieter Deul