Ein Volk stellt auf

Nämlich: die Nationalmannschaft  ■  P R E S S - S C H L A G

Ob uns das paßt oder nicht, die Dinge liegen nun einmal so: Das Gewaltmonopol hat der Staat, die Richtlinien der Politik bestimmt der Kanzler, und die Nationalmannschaft wird vom Bundestrainer aufgestellt. Und wir? Uns fragt wieder mal keiner.

Ganz im Gegensatz zum Volk. Das durfte dem Gewis-Institut seine Wunschelf aufsagen, und was dabei herauskommt braucht uns nicht zu wundern. Wie wir uns sowieso alle vier Jahre nur immer wieder wundern, was das Volk mit der FDP von Genschman macht, aber das steht hier nicht zur Debatte. Das Volk jedenfalls geht im großen und ganzen ziemlich d'accord mit seinem Monarchen, Kaiser Franz I. Nur in einem einzigen Fall wird sanft Widerspruch angemeldet: der Torhüter.

Das Volk - vor allem sein älterer Teil - will Uli Stein (41 Prozent), während die jungen Menschen sich der Parole „Trau keinem über 30“ erinnern und Bodo Illgner (24 Prozent) den Zuschlag geben. Aber damit ist es mit dem Dissenz auch schon vorbei. Der gesamte Rest, so entnehmen wir 'Sports‘, vom rechten Verteidiger bis zum Linksaußen: Beckenbauer und das Volk - eine Stimme.

Über den Grund, warum wir nicht befragt werden, läßt sich nur spekulieren; könnte es aber sein, daß die taz -Nationalelf '84 daran gewisse Schuld trägt? Weil sie unseren Mut zu unpopulären Entscheidungen dokumentiert? Weil wir schon damals (2.1.84, Seite 11) einen gewissen Uli Stein (unter 30; sic!) einem Herrn Schumacher (Vorwurf: „Unmäßige Deutschtümelei“) vorzogen? Und weil wir nicht abließen vom ungebärdigen Geniestreich, den linken Verteidigerposten, mit dem „fußballerische Großtölpel wie Briegel oder Dietz gröblichst Schindluder getrieben“, durch den Exil-Kicker Bernd Schuster zu besetzen und damit imagemäßig ein wenig aufzupolieren?

Schluß jetzt mit dem Selbstlob und dem Volk auf den Spielberichtsbogen geschaut: Augenthaler (77 Prozent) als Libero, Chef im Mittelfeld Littbarski (68), im zur Seit‘ die Kicker Matthäus (61), Häßler (59), Thon (45) und Möller (43). Und vorn wieselt Völler (76) mit Klinsmann (67), auf der Bank weint Riedle (34) dem entgangenen Marktwert nach, während hinten - ach, Volk! - Buchwald (32), ja Buchwald, für Stein den Strafraum putzen soll.

Was er nicht darf. Weil dort Illgner steht, wie gestern 'dpa‘ zu entnehmen war. Der Kaiser verzeiht den „Suppenkasper“ nicht, während sein Verzicht auf Stefan Kuntz z.B. unseren Applaus findet, vermutlich, weil sich Aversionen gegen Polizeiuniformträger nicht so leicht verlieren.

Es geht hier, ganz aktuell, um das Aufgebot fürs Länderspiel gegen Frankreich (28.2.), und diverse Körperteile drohen unserem Duo Teamchef/Volk einen Streich zu spielen. Meldung ärztliches Bulletin: Buchwald (Achillessehne), Matthäus (Oberschenkelzerrung) und Thon (zweite Fuß-Operation).

Wäre das, wagen wir hier einzuwerfen, nicht die Möglichkeit, vielleicht doch den Schuster...? Nein? „Keine Experimente“ ('dpa‘), signalisiert Franz Beckenbauer. Und das Volk? Von dem ist doch nichts zu erwarten, solange es nicht wenigstens den Buchwald zurücknimmt.

Thömmes