Verwirrung bei den Paralympikern

■ Noch spricht der internationale Behindertensport mit verschiedenen Zungen / Einzelverbände wollen sich nicht auflösen

Berlin (taz) - „Verwirrend“ - mit diesem Wort charakterisiert Robert Steadward, Präsident des im September 1989 neugegründeten Weltverbandes für den Behindertensport, International Paralympic Comitee (IPC), die derzeitige Situation seiner Organisation. Auch wenn es in der Öffentlichkeit still geworden ist um das IPC, spielt sich hinter dessen Kulissen ein Machtkampf ab. Noch immer haben sich die früheren sechs Weltverbände (für Körperbehinderte, Querschnittsgelähmte, Blinde, Gehörlose, Cerebralgestörte und Geistigbehinderte) nicht aufgelöst, wie sie es ursprünglich auf dem Düsseldorfer Gründungskongreß des IPC geplant hatten.

Auch deren frühere Dachorganisation, das ICC (International Coordinating Commitee) ist weiter aktiv und hat sich vor einiger Zeit gar den Titel „Paralympics 1992“ gerichtlich schützen lassen - ein Schachzug, dessen Folgen noch nicht abzusehen sind. Die Einigkeitsschwüre auf dem Gründungskongreß haben nicht lange gehalten. Die Fronten bei diesem Machtkampf sind für Außenstehende nur schwer zu durchschauen, denn im Exekutiv-Kommitee des IPC haben auch Mitglieder des ICC Sitz und Stimme. Diese Situation als „verwirrend“ zu beschreiben, ist sicherlich noch untertrieben.

Steadward hofft, daß spätestens im Juli der Konflikt zugunsten des IPC entschieden wird. Dann werden während der Weltspiele der Behinderten im niederländischen Assen die IPC -Mitglieder über die in diesen Tagen neugefaßte Satzung abstimmen. „Bei einer Zustimmung wäre das IPC endgültig als einziger Weltverband für den Behindertensport legitimiert.“ Der kanadische Professor für Sportwissenschaft gibt sich optimistisch - und das muß er auch. In Assen steht das weitere Schicksal des IPC zur Disposition.

So ist selbst vier Monate nach der Gründung die Finanzierung des IPC noch ungeklärt. „Wir haben kein Geld auf der Bank“, sagt Steadward trocken. Daß er in den letzten Wochen weltweit für die Ziele des IPC werben konnte, verdankt er den Geldern einer kanadischen Fluggesellschaft. Ohne das IPC als Rückhalt wird es für Steadward auch sehr schwer werden, sein Lieblingsprojekt, die Teilintegration einiger Paralympics-Disziplinen in das Programm der Olympischen Spiele, weiterzuverfolgen.

Schon mehrfach hat Steadward mit IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch über dieses Thema gesprochen. Er weiß, daß der Erfolg dieser Gespräche abhängig ist von den Einigkeitsbemühungen in seinem eigenen Verband. Beim letzten Treffen hatte der spanische IOC-Präsident zu verstehen gegeben, daß er nur mit einer einzigen Organisation auf seiten der Behindertensportler weiterverhandeln möchte.

Weit voraus war Steadward seiner Zeit, als er bei seinem Besuch in West-Berlin mit dem für Sport zuständigen Staatssekretär Hans-Jürgen Kuhn eine mögliche Ausrichtung der Paralympics in Berlin im Jahr 2000 oder 2004 ins Gespräch brachte. Es mag für Steadward ein kleiner Trost sein, daß Kuhn, der auch das Berliner Olympia-Büro leitet, diese Bewerbung zusagte. Ob der Behindertensport international weiter an Ansehen gewinnt oder sich selbst ein Bein stellt, wird jedoch nicht um die Jahrtausendwende entschieden, sondern in den nächsten Wochen und Monaten.

Ralf Köpke