Schalcks „atemberaubende Werte“

■ Zwischenbericht zu Schalck-Golodkowskis Außenhandelsimperium vorgelegt / Die Rolle des früheren Stasi-Obersts bleibt weiter im Dunkeln / Staatlich sanktionierter Kunstraub wird bestritten

Ost-Berlin (taz) - Die Geschäfte des ehemaligen Chefdevisenbeschaffers der DDR, Alexander Schalck -Golodkowski, bleiben auch nach der Vorlage eines Zwischenberichtes durch die zuständige Regierungskommission undurchschaubar. Amtlich belegt wird damit aber, daß das Imperium Schalck-Golodkowskis, der den Außenhandelsbereich „Kommerzielle Koordination“ (KoKo) leitete, satte Millionengewinne erwirtschaftete, der früheren DDR -Staatsführung einen warmen Valuta-Regen bescherte und über westeuropäische Holdings an bundesdeutschen Firmen beteiligt war. Eine von der 'Bild'-Zeitung veröffentlichte Liste, in der auch das KoKo-Imperium im Ausland aufgegliedert wurde, nannte die Kommission authentisch.

In der Wohnung des ehemaligen Stasi-Obersts und jetzigen Informanten des Pullacher Bundesnachrichtendienstes wurden nach dessen Flucht Kunstgegenstände von einem „atemberaubenden Wert“ sichergestellt. „Was dort gefunden wurde“, so der Kommissionsvorsitzende Willi Lindemann gestern in Ost-Berlin, hätte Schalck trotz seines üppigen Gehaltes „nie und nimmer kaufen können“. In welchem Ausmaß die Kunstwerke illegal beschafft wurden, sei aber noch nicht geklärt. Ein wesentliches Augenmerk legt der Zwischenbericht auch auf die Arbeit der „Kunst und Antiquitäten GmbH“, die zur Zeit unter Federführung der Kommission aufgelöst wird. Zuletzt war den KoKo-Zuträgern in den DDR-Medien vorgeworfen worden, privaten Sammlern in der DDR ihre Kunstsammlungen abgepreßt zu haben, um sie anschließend zur Devisenbeschaffung an den Westen zu verscherbeln. Den Umsatz der „Kunst und Antiquitäten“ bezifferte die Kommission mit 30 bis 40 Millionen D-Mark in den letzten Jahren - die hochgesteckten Devisenerwartungen wären damit „nie erfüllt worden“. Von den Erlösen sollen zwei Drittel an die „staatlichen Organe“ und ein Drittel an die Verkäufer abgeführt worden sein. Der Wert der Kunstgegenstände, die in einem Lager in Schönbeck von der Volkspolizei bewacht werden, wird mit etwa 37 Millionen Westmark angegeben. Ein Zehntel davon sei mittlerweile ausgesondert und soll demnächst dem staatlichen Kunsthandel und den Museen übergeben werden.

Ein Experte des Finanzministeriums bestritt allerdings, daß sich die Antiquitätenfirma illegaler Steuerfestlegungen bedient hätte. Der jeweilige Steuersatz wurde nach seinen Worten „legal“ festgelegt. In einigen Fällen hätten durch die „allgemeine Explosion auf dem Weltmarkt“ Millionenwerte und -gewinne vorgelegen, die entsprechend versteuert werden mußten. Hätte ein Sammler diese Abgaben nicht aufbringen können, „war es nötig, Kunstgegenstände zu verkaufen“.

Wolfgang Gast