: Hauptstadt Frankfurt
■ Ministerpräsident Wallmann sinnierte über die Mainmetrople als neue Bundeshauptstadt
Frankfurt (taz) - Da hat er seinem Frankfurter Amtsnachfolger Volker Hauff ein mächtiges Kuckucksei ins Nest gelegt, der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann. Geschichtsbewußt und mit ganz sanfter Stimmer sinnierte er im Lokalfunk darüber nach, Frankfurt am Main zur neuen Hauptstadt der wiedervereinigten Republik zu machen. Berlin, befand er, sei eine Altlast der deutschen Historie: preußisch, imperialistisch, nationalsozialistische Reichshauptstadt. Dies alles sei unseren europäischen Nachbarländern nicht zuzumuten. Der Mann hat recht. Und der Mann geht noch weiter. Frankfurt habe immerhin eine auch demokratische Vergangenheit aufzuweisen: Nationalversammlung, Paulskirche, europäische Tradition. Europäische Tradition? Ganz recht! Wurden doch, sagte Wallmann, in Frankfurt vor über 1.000 Jahren, als an Berlin noch nicht einmal als Marktflecken zu denken war, schon Kaiser und Könige für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gekürt. Das hat doch ganz andere Dimensionen! Da können sich die Parvenüs am Rande der preußischen Streusandbüchse eingraben lassen. Daß eine konservative Frankfurter Zeitung schon Mehrheiten für Berlin als „Reichshauptstadt“ ausmachte, ist nicht nur kontraproduktiv zum Wallmannschen Patriotismus. Es ist auch ziemlich peinlich. Lag doch Berlin im alten „Reich“ längst nicht so dicht an der polnischen Westgrenze.
Oberbürgermeister Hauff hat sich zu den Visionen des Ministerpräsidenten bisher noch nicht geäußert. Er tut gut daran. Ist es ihm doch immerhin gelungen, das lästige Olympia relativ heimlich und unbeachtet einfach an Berlin abzutreten. Und jetzt das? Bewahre! Die FrankfurterInnen wollen zwar die Bundesbank gerne in ihrem Händler- und Krämerdorf behalten, aber ansonsten lieber auf das Regierungsviertel verzichten. Wo sollte es auch hin? Vielleicht in den Stadtwald, den ihnen einst ein zahlungsunfähiger Potentat vermachte? Da wird der Ruf nach Alternativen laut. Hannover ist doch auch eine ganz schöne Stadt, zentral gelegen, mit viel plattem Land drum herum. Weimar zuzubauen, das wäre eine denkmalspflegerische Sünde. Aber Leipzig! Zum einen wäre es dann wohl saniert, zum anderen haben die uns doch den ganzen Schlamassel eingebrockt!
Heide Platen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen