Wo, bitte, schläft die Straßenbahn?

■ Schüler-Ausstellung über den Alltag der Straßenbahn in der Landesbildstelle

Die Straßenbahn-Nutzerin kennt sie wie ihr eigenes Wohnzimmer: Die Haltestellen. Domsheide, wo Schienen sich durch Kopfsteinpflaster schlängeln, im eigenen Stadtteil, wo im tosenden Autoverkehr gemächlich die Tram angeschoben kommt. Die vielen Plexiglashäuschen, die hastenden Passanten im Weg stehen. Auch den Blick durch Straßenbahnfenster, die plötzliche Nähe zu fremden Menschen. Sie spürt das Husten des Hintermannes im Nacken und starrt auf abgelaufene Hacken, Specknacken und Dauerwellen.

„Wir sehen alles als Straßenbahnfahrer“, sagt Rico, 16, „alle Sorten von Menschen“. Rico ist einer von rund 25 SchülerInnen der Gesamtschule West, die im vergangenen Jahr an einem schulischen Kunstprojekt zum Thema Straßenbahn teilgenommen haben. Die SchülerInnnen haben gemalt, gezeichnet und insbesondere fotografiert. Die Ergebnisse sind in der Landesbildstelle, Uhlandstraße 53, in einer Ausstellung zu betrachten.

Die Lehrer Michael Bugiel und Bernd Danthony hatten die Idee, zum Anlaß der 100jährigen Elektrifizierung der Straßenbahn und dem 20jährigen Jubiläum der Ge

samtschule West ein Projekt zusammen mit der Straßenbahn zu starten.

Mal verwaist, mal mit einer

Bahn, die eilige Menschen ausspuckt, mal als Teil von architektonischen Betrachtungen sind die vertrauten Straßenszenen im Foto

festgehalten. Aber wo schlafen die Straßenbahnen nachts? Zum Beispiel im Staßenbahndepot in Gröpelingen. Dort werden sie gehegt und gepflegt - wenns sein muß, auch von unten. Wer hat schon eine Straßenbahn von unten gesehen? Auf ihren Exkursionen sprachen die jungen FotografInnen mit StraßenbahnfahreInnen und den Beschäftigten im Gröpelinger Depot. „Anfangs hatten wir etwas Angst, die fremden Leute zu fragen, ob wir sie fotografieren dürfen“, sagt Nghi, 18, „aber mit der Zeit wird man mutiger“, ergänzt Ninja, 17.

Außer Mut haben die TeilnehmerInnen offensichtlich das Fotografieren gelernt. Besonders die Depot-Fotos glänzen durch kunstvolle Perspektiven und interessante Musterkontraste. Auch die Phantasie kam nicht zu kurz: „No Atomstrom in my Wohn-home“ ließ sich eine ZeichnerIn als alternativen Werbespruch auf einer buntbemalten Bahn einfallen. Die Fenster einer anderen Bahn spiegeln grüne Landschaftsaussichten wieder, aber auch Hochhäuser und gestreßte Menschen.

Der Streß hat die SchülerInnen des Projekts längst wieder eingeholt: Während eine Vierer-Abordnung der Ausstellungseröffnung beiwohnen durfte, schwitzten die anderen über einer Klassenarbeit. bea