Claras fucking gen(i)usses

■ Elfriede Jelineks Hörspiel „Frauenliebe-Männerleben“ auf Radio Bremen genossen

Robert, „mein Robert“, ist tot. Acht Kinder hat er Clara gemacht in seiner unerschöpflichen Geilheit, und dann ist er auch noch

verrückt geworden. Clara hat das an sich passieren lassen müssen, hat dabei Gisela Steins harte, klare, böse Stimme bekommen, ist immer weniger zum Komponieren gekommen, aber dennoch die beste Pianistin des 19. Jahrhunderts geworden. Hat das Genie Robert, samt seinen Symphonien und seinem Wahnsinn damit durchgezogen. „Das Klavierspiel war mein Broterwerb. Jetzt bin ich auf mein Fleisch angewiesen,“ sagt sie, und schon wieder dringt der Mann, das Genie, in sie ein und ächzt und stöhnt von seiner Größe und will in ihren Bauch, obwohl doch „der Sensibilist...nichts mehr fürchtete als sein Verschwinden in mir.“

Doch nein, halt, diesmal ist nicht „mein Robert“ am Eindringen, sondern das geile Genie Franz Liszt. Bei ihm und seiner fürstlichen Mäzenin läßt Elfriede Jelinek in ihrem Hörspiel „Frauenliebe - Männerleben“ die arme, böse Clara auftauchen. Sie will Geld loseisen zur Finanzierung des Wahnsinns und der letzten Symphonie ihres vergötterten Robert. Und Liszt macht es wie

dieser, er macht sie klein und will in sie rein. Die Bremer Literaturwissenschaftlerin Helga Gallas hat in Romanen des 18. Jahrhunderts die weibliche Sexualfeindschaft entdeckt. Dieses Hörspiel aus der Blütezeit des Patriarchats läßt die Feindschaft gegen eine Sexualität, die die Herren wie eine Ressource der Natur aneignen und ausschlachten, realitätsangemessen erscheinen.

Elfriede Jelineks Hörspiel, 1982 für SWF und HR produziert, Dienstag auf Radio Bremen 1 und 2 gesendet, ähnelt ihrem Roman „Lust“ (1989) in der Thematisierung der männlichen AggressionsLUST. Ist in „Lust“ der sexuelle Terrorist Fabrikant aus Jelineks Herkunftsprovinz Steiermark, so ist es in „Frauenliebe - Männerleben“ das Genie Robert oder das Genie Franz, Jacke wie Hose. So sehr, daß man im Hörspiel durchaus durcheinander geraten mag, ob nun gerade der geile Franz herumstöhnt und - würgt oder der eigentlich tote Robert seinen geilen Wahnsinn ausröchelt, -kreischt, und flüstert, bis es Clara endlich zu dumm

wird, und sie ihn noch einmal umbringt.

Ein Genie so gut und geil wie das andere, bloß Clara hat noch den Durchblick in Sachen Genie. Denn sie, peinlich wie Jelineks Frauen immer sind, steht voll auf Genie und darauf, daß es immer männlich ist. „Die Frau ist elementar, der Mann ist ihr Element“. Bloß eben, „mein Robert“ ist eins, Liszt ist keins, er ist bloß Interpret.

Kleines Zwischenspiel nach Brechts Eifersuchtsduett aus der Dreigroschenoper: „Sind-Sie-nicht-Sind-Sie nicht“, das war Clara, „Bin-ich-doch-bin-ich-doch“, das war Franz.

Die zwanghaft fickenden 19. Jahrhundertgenies, Clara, die den männlichen Geniekult kühl-exaltiert auf eine Spitze treibt, welche nicht nur sie selbst, sondern auch die Genies vernichtet und ihr armes Kind Marie gleich mit, die Mono-, Dia-, Trio-, Kla-vier-loge zwischen Diesseits und Jenseits, das lieferte bestürzendes Vergnügen, wenn auch eine halbe Stunde zuviel.

Uta Stolle