Die ferne Zentrale - und die Basis

■ Ohnmacht und Hilflosigkeit bei der Kreuzberger Alternativen Liste im Fall ihres seit Monaten besetzten Büros / AL-Zentrale ist gegen Räumung / AL-Kreuzberg: Polizeieinsatz - weil man „Faustrecht und Gewalt immer abgelehnt“ hat

Streit in der AL um das von geräumten Hausbesetzern besetzte Büro der Kreuzberger Bezirksgruppe: Die Kreuzberger hatten den Besetzern ein Ultimatum gestellt, das Büro in der Eisenbahnstraße bis zum 1.März zu verlassen, sonst werde man räumen. Wenn es sein müsse, hole man die Polizei (die taz berichtete). So gehe es nicht, befand der Geschäftsführende Ausschuß (GA) der Gesamt-AL in einem Brief an die Kreuzberger. Zwar „verstehe“ man den „Mißmut über die offensichtliche Nichtkooperation“ der BesetzerInnen und die „unmögliche Arbeitssituation eurer Angestellten“. Aber ein Polizeieinsatz sei keine Lösung. Vor allem in Kreuzberg wäre das ein „Beleg für Ohnmacht und Hilflosigkeit gegenüber den von der AL immer wieder angeprangerten Verhältnissen“. Dann läßt der GA die Katze aus dem Sack: „Nicht zuletzt“ befürchtet man „effekthascherische Berichterstattung“ der Medien nach den Erfahrungen mit der Polizei auf dem Kreuzberger Kinderbauernhof. Dort hatte sich die AL so gründlich in Widersprüche verwickelt, bis ihr die Verantwortung für den Polizeieinsatz aufgehalst werden konnte.

„Unverantwortlich und oberflächlich“ empörten sich die Kreuzberger und: „Wenn deren Büro in der Badenschen besetzt wäre, würden die auch anders reden.“ Kurzum: Man beugt sich nicht dem Diktat der Zentrale. „Schließlich hat die AL immer für dezentrale Strukturen plädiert“, meint AL -Fraktionsvorstand Reimund Helms. Sicher verstehe man den Vorwurf, der GA lasse die Kreuzberger mit dem Problem allein, gesteht GA-Mitglied Angelika Hirschmüller, wie die Mehrheit im GA auch aus Kreuzberg. An den GA sei aber auch niemand herangetreten, damit der zum Beispiel mal mit den Besetzern rede.

Man habe den Besetzern sogar angeboten, ihnen das Büro zu geben, und die Miete vom Sozialamt bezahlen zu lassen, so der derzeitige Assistent des GAs, Dirk Schneider - ebenfalls Kreuzberger. Das sei aber an den Besetzern gescheitert. Nun sei Schluß. Letzten Samstag habe man die Besetzer besucht und sich davon überzeugt, daß die da „nur wohnen“ und „keinerlei politische Aktivitäten“ unternehmen. „In der Autonomenzeitung 'Interim‘ steht auch nie was von denen“, meint Schneider. Diesen Samstag werde man ihnen klarmachen, daß sie das Büro verlassen müßten und dann notfalls die Polizei einschalten „falls die von sich aus gewalttätig werden“. Gewalt gegen die Besetzer lehnte Schneider ab, da rufe man lieber die Polizei. „Wer sich, so wie wir, immer dagegen ausgesprochen hat, daß Stattbau oder Volker Härtig überfallen wird, darf nicht selber zum Faustrecht greifen“, sagt Schneider. Mit dem Kinderbauernhofkonflikt sei das im übrigen nicht zu vergleichen, da die Büro-Besetzer ja gänzlich unpolitisch seien.

Anmerkung: Die Kreuzberger AL ist bislang eher wegen ihrer Versuche, Faustrecht im Kiez zu erklären und zu beschönigen bekannt geworden - denn wegen ihrer eindeutigen Position dagegen. Zur Gewalt in SO36 in den letzten Jahren, sei es gegen Restaurants, taz-Redakteure oder den eigenen Baustadtrat ist die AL-Meinung mit „indifferent“ noch schmeichelhaft umschrieben. Nun trifft es die Kreuzberger AL selber. Und die sollte sich nicht wundern, wenn der GA gegen sie die gleiche Position vertritt, die sie selber bisher hatte.

Eva Schweitzer