„...eine ganz miese Handhabung“

Spandaus Sozialstadträtin Renate Mende (SPD) stellt sich hinter die Flüchtlinge, deren Aufenthaltsrecht von anderen Berliner Sozialämtern bedroht wird  ■ I N T E R V I E W

Auf wachsenden Protest stößt die Praxis mehrerer Berliner Bezirksämter, Flüchtlingen die Sozialhilfe zu verweigern und sie zur Heimreise aufzufordern. Die „Liga zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran“ und der Berliner Flüchtlingsrat forderten gestern den Senat auf, umgehend eine Lösung zu finden, die den Betroffenen ihre Sozialhilfe garantiert und „eine Lebensplanung in Selbstverantwortung ermöglicht“. Zunehmend sind Flüchtlinge von Obdachlosigkeit und Verelendung bedroht, die gemäß der Weisung des Berliner Senats ihre Asylanträge zurückgezogen und statt dessen eine Aufenthaltserlaubnis beantragt haben. Das läßt einige Sozialämter schlußfolgern, die Betreffenden seien überhaupt nur eingereist, um Sozialhilfe zu bekommen. Die Praxis soll heute auf der Sitzung der Sozialstadträte diskutiert werden. Die taz sprach mit der Spandauer Sozialstadträtin Renate Mende (SPD).

taz: Wie werden Sozialhilfeanträge von ehemaligen Asylantragstellern in Ihrem Bezirk entschieden?

Mende: Es hat in meinem Bezirk bisher keine einzige Ablehnung gegeben. Wenn ein Flüchtling seinen Asylantrag zurückzieht und eine Aufenthaltserlaubnis bekommt, kann ein Sozialamt nicht als Korrektiv einschreiten und sagen: Uns interessiert der Aufenthaltsstatus nicht, der Asylantrag ist zurückgezogen, also ist der Mensch eingereist, um Sozialhilfe zu bekommen, und jetzt zahlen wir nicht.

Haben Sie Ihren Sachbearbeitern im Sozialamt zusätzlich zum Bundessozialhilfegesetz eigene Anweisungen gegeben?

Eigene Anweisungen insofern, als ich veranlaßt habe, daß mir Ablehnungen von Anträgen auf Sozialhilfe vorzulegen sind. Das bedeutet schon mal, daß sich der Sachbearbeiter sehr sorgfältig damit auseinandersetzt. Der „120“ des Bundessozialhilfegesetzes gibt ja nun mal die Möglichkeit abzulehnen. Nur glaube ich, daß - wie das die Sozialsenatorin Ingrid Stahmer in einem Rundschreiben an die Bezirke schon dargelegt hat - unser Ermessen abzulehnen weitgehend ausgeschlossen ist.

Den Bezirksämtern, die sich im Moment durch Ablehnungen von Sozialhilfe für Flüchtlinge hervortun, wird vorgeworfen, damit letztlich die unliebsame Weisung des Innensenators vom Juni letzten Jahres unterlaufen zu wollen, die vielen Flüchtlingen zumindest eine aufenthaltsrechtliche Verbesserung gebracht hat...

Wenn Sie mich um meine ganz persönliche Meinung fragen: ich würde das auch so interpretieren. Das ist ein Unterlaufen der Absicht des Senats. Das ist eine ganz miese Handhabung, weil das auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird.

Was werden Sie den Kollegen aus den anderen Bezirken heute bei der Sitzung der Sozialstadträte empfehlen?

Ich werde noch mal darauf hinweisen, wie ich das Rundschreiben von Frau Stahmer lese. Und wenn einer nicht in den Iran oder in den Libanon zurückkehren kann, dann ist es einfach Blödsinn zu konstruieren, der sei eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen.

Interview: Andrea Böhm