Singers Thesen-betr.: "Praktische Ethik" von Mathias Bröckers, taz vom 13.2.90

betr.: „Praktische Ethik“ von Mathias Bröckers,

taz vom 13.2.90

(...) Bröckers unterstellt den Menschen, die eine „argumentative Toleranz“ Euthanasiethesen gegenüber für fatal halten, eine „Diktatur der Dummheit“ auszuüben. Die besagten KritikerInnen seien - wie ihre (Groß -)Elterngeneration - mit einer „ideologischen Blockwartmentalität“ ausgestattet, würden „an der Rampe“ stehen „und Gedanken selektier(en)“ - ja, seien eben die „Nachkommenschaft der SS“. Dies ist nun an Perfidität nicht mehr zu überbieten: Menschen, die sich ausdrücklich gegen die Aussonderung von Minderheiten wehren, Menschen, die gerade durch ihren Protest erst auf die Etablierung Singers im westdeutschen Wissenschaftsbetrieb aufmerksam gemacht haben, Menschen, die es nicht hinnehmen wollen, daß über Sinn und Zweck ihres Lebens befunden wird - gerade sie werden als verhinderte KZ-Schergen beschimpft.

Der üblen Diffamierung der KritikerInnen steht die Verharmlosung von Singer beziehungsweise seinen Apologeten gegenüber. Singers Euthanasiethesen sind nicht nur „als Handlungsanweisung gelesen“ „in der Tat fatal“. Das Bedrohliche an ihnen ist vielmehr, daß sie eine real stattfindende Auslese- und Vernichtungspolitik ethisch legitimieren.

Bröckers will und kann dies nicht sehen. Das ist nicht verwunderlich bei jemandem, der nicht in der Lage ist, historische Kontinuitäten deutscher Verwahr- und Vernichtungspolitik Behinderten gegenüber zu sehen (so wird der NS-Massenmord an Behinderten mit keinem Wort erwähnt!) und für den Behinderte „schwachsinnige Krüppel“ sind, für die's nur von Nachteil sein kann, überhaupt geboren worden zu sein!

Christoph Dettmann, Ulrich Gellert, Carola Hahne, Ute Dorczok, Birke Namuth, Rene Huxholl, AG BevPol Oldenburg