CSSR fürchtet „Germanisierung“

■ Bush sagt massive Hilfe als Gegengewicht zu deutscher und österreichischer Wirtschaft zu

Washington (ap) - US-Präsident George Bush hat dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Vaclav Havel bei dem Bemühen, nicht einseitig auf deutsche und österreichische Hilfe angewiesen zu sein, die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten zugesagt. So stellte Bush am Dienstag die Gewährung des Meistbegünstigungsstatus im Handel mit den USA in Aussicht, wies die Export-Import-Bank an, ein Büro in Prag zu eröffnen und versprach, sich dafür einzusetzen, daß die CSSR wieder Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank wird. Außerdem sollen Mitarbeiter der US-Entwicklungshilfeorganisation in der CSSR Englischunterricht erteilen.

Vor Studenten in der Universität Georgetown antwortete CSSR -Präsident Havel auf entsprechende Fragen, er hege keine Befürchtungen wegen der deutschen Wiedervereinigung, solange das neue Land eine Demokratie sei: „Ich würde mich vor einem Land mit 100 Millionen Menschen nicht fürchten, solange es eine Demokratie ist. Aber ich hätte Angst vor einem totalitären Land mit einer Million Menschen.“

Die US-Hilfe an die CSSR soll dazu beitragen, die neue Demokratie vor einer wirtschaftlichen und sprachlichen „Germanisierung“ zu bewahren, erklärte die neue Botschafterin Prags in Washington, Rita Klimova, bei einem Hintergrundgespräch. Ohne diese Hilfe „habe ich das Gefühl, daß die deutschsprachigen Teile Europas einschließlich Österreichs das vollbringen werden, was den Habsburgern, Hitler und Bismarck nicht gelungen ist - die Germanisierung Mittel- und Osteuropas mit den friedlichen und löblichen Methoden der Marktwirtschaft“.

Ein „echtes Vakuum“ sei auf lange Sicht durch die USA zu füllen, damit deutsche Unternehmer ihr Land nicht „überwältigen“, sagte Frau Klimova. Die Deutschen und Österreicher „kennen die Gegend, sie sind nebenan, die ältere Generation spricht fließend deutsch, die Mentalität ist gleich“, erklärte sie. Zwar könne die Industrie in der CSSR es mit der in Deutschland aufnehmen, doch hänge sie vollständig von deutschem Kapital ab und könnte so zum Zulieferer degradiert werden. Noch keine Antwort habe ihre Regierung auf das Problem gefunden, daß Deutsche möglicherweise privatisierte tschechoslowakische Betriebe zu Spottpreisen aufkaufen könnten.