Stasi-Order zum Weitermachen?

■ Ost-'Berliner Zeitung‘: Stasi soll weiter aktiv sein / Die Bürgerkomitees sind aber skeptisch

Berlin (taz) - In der DDR sollen unbekannte Einheiten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) möglicherweise unerkannt im Untergrund weiterarbeiten. Das berichtete gestern die Ost-'Berliner Zeitung‘. Sie berief sich auf den Sicherheitsexperte des Runden Tisches, Dankwart Brinksmeier (SPD). Danach sind die sichtbaren Strukturen des MfS zwar zerschlagen, „aber es ist zu vermuten, daß bestimmte Abteilungen, Einheiten oder Gruppen, von denen wir noch gar nichts wissen, im Untergrund weiterarbeiten“. Um so wichtiger sei es daher, die Suche nach unbekannten Objekten des MfS zu verstärken und „konspirative Treffpunkte zu enttarnen“. Diese Orte dienten den Stasi-Mitarbeiter früher zur Kontaktaufnahme mit den sogenannten „inoffiziellen Mitarbeitern“, von denen es nach Angaben des Regierungsbeautragten ungefähr 109.000 gegeben hat.

Dem Bericht der 'Berliner Zeitung‘ zufolge wollten die jetzt noch aktiven Stasi-Offiziere angesichts der kommenden Vereinigung beider deutscher Staaten eine Art „Schadensbegrenzung“ betreiben. Die bundesdeutschen Geheimdienste würden beispielsweise schon jetzt „in den Startlöchern sitzen“.

Bei den MitarbeiterInnen des Bürgerkomitees zur Auflösung des Stasi-Hauptquartiers in der Ostberliner Normannenstraße stieß der Bericht auf Skepsis - ebenso beim Komitee, das die Auflösung der Berliner Stasi-Bezirksverwaltung in der Kowalkestraße überwacht. Die konspirativen Objekte und Wohnungen seien zwar längst nicht alle entdeckt, eine Weiterarbeit im Untergrund sei aber nicht festzustellen. Der einzige Anhaltspunkt, der auf bestehende konspirative Strukturen schließen ließe, ist ein Schriftvermerk, den die Stasi-Auflöser in der Berliner Bezirksverwaltung sicherstellen konnten. Darin wurden ehemalige Geheimdienstler aufgefordert, trotz der Zerschlagung des Sicherheitsapparates weiterzuarbeiten. Anhaltspunkte dafür, daß dem Aufruf Folge geleistet wurde, konnten nicht gefunden werden. Die einzige Abteilung des MfS, die ihren Dienst tatsächlich weiter versieht, ist die „Hauptverwaltung Aufklärung“ - der Auslandsnachrichtendienst der Stasi, der nach der Wende der unmittelbaren Kontrolle der Arbeitsgruppe Sicherheit beim Runden Tisch unterstellt wurde.

Die Bürgerkomitees beklagen allerdings die schleppende Auflösung der Stasi. Zuviel Zeit sei verschenkt worden, Aktivitäten staatlicher Stellen seien immer erst nach massiven Interventionen der Komitees erfolgt. Der Runde Tisch und die Regierung würden nicht mit der nötigen Konsequenz „für Rückenwind sorgen“. Wann die am Donnerstag vor einer Woche vom Ministerrat beschlossene Kommission ihre Arbeit aufnehme, stehe immer noch in den Sternen.

Wolfgang Gast