Alleingang: Thatcher will de Klerk belohnen

Neue EG-Krise / Großbritannien hebt Sanktionen gegen Südafrika auf/ Keinerlei Berücksichtigung der Außenministerkonferenz von Dublin  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Noch am Dienstag abend verkündete Margaret Thatcher im britischen Unterhaus, sie werde sich um die Beschlüsse, die erst während der Außenministerkonferenz am selben Tag in Dublin gefaßt wurden, nicht scheren und den Boykott von Investitionen in Südafrika aufheben, sobald „einige Formalitäten“ erledigt sind.

Neue Investitionen würden zu mehr Jobs, Sicherheit und verbessertem Lebensstandard für die Arbeiter führen, sagte Thatcher. Als Beispiel führte sie den Automobilkonzern BMW an, der soeben eine weitere Rate seines Investitionsprogramms in Höhe von 250 Millionen Mark angewiesen habe.

Thatcher ist nach ihrem Alleingang in der EG isoliert. Den Außenministern gelang es in Dublin nicht, die heraufziehende Krise abzuwenden. Der britische Außenminister Douglas Hurd verteidigte Margaret Thatchers Entschluß, die freiwilligen Wirtschaftssanktionen so schnell wie möglich aufzuheben. Hurd sagte, Südafrikas Präsident de Klerk sei mit der Freilassung Nelson Mandelas ein erhebliches Risiko eingegangen und müsse für seinen Mut belohnt werden.

Mandela hatte am Montag in einem Fernsehinterview in Johannesburg seine Forderung an die EG wiederholt, die Sanktionen beizubehalten. Er fügte hinzu, daß er Thatcher einen Vorschlag zu unterbreiten habe. Details wolle er jedoch erst bekanntgeben, nachdem er mit der ANC-Exekutive in Lusaka gesprochen habe.

Hurd schlug in Dublin einen „Kompromiß“ vor: Großbritannien sei bereit, den Alleingang unter der Bedingung zu verschieben, daß sich die übrigen Mitgliedsländer verpflichten, die Sanktionen sofort nach Aufhebung des Ausnahmezustands in Südafrika zu beenden. Hurds Vorschlag stieß jedoch auf erbitterten Widerstand Dänemarks und Irlands und wurde abgelehnt. Statt dessen wird die EG eine Delegation unter Leitung des derzeitigen Präsidenten des EG -Ministerrats, des irischen Außenministers Gerard Collins, auf eine „Erkundungsreise“ nach Südafrika schicken.

Mendi Msimang, der ANC-Vertreter in Großbritannien und Irland, kritisierte den Beschluß, weil sich „die meisten Missionen in der Vergangenheit lediglich an das Rassistenregime gewandt“ hätten. Collins versicherte jedoch, daß er „mit allen Seiten“ Gespräche führen wolle.

Die einsame britische Entscheidung für eine Aufhebung der freiwilligen Sanktionen hat erhitzte Diskussionen zwischen den Außenministern ausgelöst. Portugal unterstützte teilweise die britische Position. Collins warnte indes mit deutlichen Worten, daß ein britischer Alleingang die Glaubwürdigkeit der europäischen politischen Kooperation infrage stellen würde. Ein solcher Präzedenzfall hätte katastrophale Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit. So könnten sich andere Länder auf das britische Verhalten berufen und Sanktionen gegen Libyen und Syrien aufheben, sagte Collins.

Über die Wirkung von Wirtschaftssanktionen und die Angst der weißen Südafrikaner vor Verstaatlichung ihrer Unternehmen

ein Korrespondentenbericht auf Seite 8