Ausländeramt: „Vollgelaufen“

■ Frühestens im Sommer ist mit neuen Räumen und mehr Personal zu rechnen

Auf dem Weg ins Chaos. Foto: Wolfram Steinberg

Am Montag hatte es wieder einmal „Unruhen“ gegeben, manche sprechen von „Schlägereien“. Schauplatz der Ereignisse: Die Abteilung „Asylangelegenheiten“ im Bremer Ausländeramt. Osteuropäische Roma, SchwarzafrikanerInnen, ChinesInnen ein entnervtes Völkergemisch drängt sich hier an vier Vormittagen im Foyer. Jeder muß versuchen, teilweise über Stunden, seinen Platz in einer der unübersichtlichen Schlangen zu behaupten, die zu den Türen der SachbearbeiterInnen führen. Friedrich Pielenz, verantwortlich für die „Ausländerangelegenheiten“, hat ein Wort für diesen Zustand: „Vollgelaufen“. „Vollgelaufen“ ist inzwischen auch die 2. Etage, in der er sitzt, um Beschwerden entgegenzunehmen. Die einzelnen SachbearbeiterInnen sind völlig überfordert, neue Paragraphen und -zig Länder zu überblicken, auf tausende Einzelschicksale einzugehen. Ungeduld und Aggressivität sind vorprogrammiert.

Das „Vollaufen“ der 2. Etage war es, daß den Flüchtling Seyhmus Ayaz so beunruhigt hat, daß er sich an die taz wandte. Seit zehn Jahren lebt der yezidische Kurde in der Bundesrepublik. 1985 hatte ihn das Verwaltungsgericht Stade als politischen Flüchtling anerkannt. Aber auch nach zehn Jahren Aufenthalt in der BRD ist Ayaz‘ Asylverfahren nicht abgeschlossen: Das berüchtigte Lüneburger Oberverwaltungsgericht hatte gegen den Stader Beschluß Berufung eingelegt. Was ihn in Bremen in Alarm versetzt hatte: Ihm war statt einem nur noch ein halbes Jahr Aufenthalt zugebilligt worden. Außerdem war ein für ihn unerfindlicher „Ungültig„-Stempel in die Papiere gedrückt worden. Und schließlich hatte ihm das Arbeitsamt Kindergeld verweigert. Gestern hatte er seinen Gesprächstermin mit dem Vorgesetzten Pielenz. Der ließ sich „die Akte 34 732“ bringen und wußte die irritierenden neuen Stempel zu erklären und erklärte sich auch bereit, beim Arbeitsamt nachzufassen in Sachen Kindergeld.

Ab wann aber nehmen sich SachbearbeiterInnen wieder Zeit? Friedrich Pielenz vertröstet auf den Sommer: Ein neues Gebäude in der Pfalzburger Straße sei im Gespräch, zusätzliche Stellen bis dahin hoffentlich besetzt. Pielenz: „Mehr Raum, mehr Eingänge, geräumige Wartezonen“. Ein Traum, der durch die steigenden Zahl der Flüchtlinge leicht zerplatzen kann: Mit weit über dreitausend AntragstellerInnen rechnet die Behörde für 1990.

bd