Das Bonner Zittern-betr.: "Im 'Provisorium– Bonn beginnt das große Zittern", taz vom 19.2.90

betr.: „Im 'Provisorium‘ Bonn beginnt das große Zittern“,

taz vom 19.2.90

Jetzt zittern sie, die Bonner Wichtelmänner mit und ohne goldene OB-Kette. Sie zittern um den Wert ihrer Grundstücke, Eigenheime und Bungalows. Der Angstschweiß bricht ihnen aus, und eine Panikdiskussionsrunde jagt die andere. Es sind dieselben Leute in Bonn und seinem Stadtrat, die gegen die großen Friedensdemos auf der Hofgartenwiese anwüteten und nichts unversucht ließen, deren gerichtliches Verbot durchzusetzen. Es sind dieselben Ratsherren und Geschäftemacher, die den Bonner Synagogenplatz verramscht und vernichtet haben, indem sie dort, wo die Synagoge stand, eine Tiefgarage - MOTOR ABSTELLEN, VERGIFTUNGSGEFAHR! - und einen Betonpalast hinklotzten. Es sind dieselben Bonner Spießer, die bis zum heutigen Tag dem von dem türkischen Bildhauer Aksoy geschaffenen Deserteur-Denkmal einen öffentlichen Platz verweigern, die die Aufführung des Brecht -Stücks Legende vom toten Soldaten mit allen Gerichtsmitteln zu verhindern suchten und die jetzt sich sperren, daß eine Schule nach Carl von Ossietzky benannt wird.

Es sind dieselben Bonner Totalitäten, die den Pennern und Punks die Parkbänke auf dem Kaiserplatz wegmontiert haben, weil deren Anblick den Kunden der benachbarten Juweliergeschäfte nicht zuzumuten sei. Es sind dieselben Bonner Gartenzwerge, die das Beethoven-Denkmal auf dem Münsterplatz mit einem Blumenbeet(-höfchen) abgesichert haben aus Angst, daß DemonstrantInnen dem Komponisten des „Fidelio“ eine Freiheitsfahne in die Hand drücken könnten. Es sind dieselben Leute, dieselbe Meute, die mit der geballten Macht des „Gnadenlos deutsch“ eine Roma-Sinti -Gruppe aus Bonn hinausgetrieben und diejenigen mit Prozessen und „Schaden„-Ersatzforderungen überzogen, die diesen Menschen geholfen hatten. Es sind dieselben Beutejäger, die dem Bund immer neue Milliarden abjagen für den Bau von immer neuen Gigantomanien, die aber die Polizei zu höchster Eile und zum Soforteinsatz drängen, wenn irgendwo ein seit Jahren leerstehendes Haus besetzt wird.

Dieses Kriminalregister der Stadt Bonn und des sie beherrschenden Klüngels ließe sich seitenlang fortsetzen. Deshalb gebührt dem Bonner Kußmund in dieser ganzen Hauptstadtfrage das, was ihm gebührt, nämlich: Götz von Berlichingen!

Michael D.Düllmann, Bonn