SEL besetzt den DDR-Markt für Vermittlungstechnik

■ Kombinat Nachrichtenelektronik hat bereits Eigenentwicklung gestoppt

Berlin (taz) - In der DDR wird es kein eigenes digitales Vermittlungssystem für Telefongespräche mehr geben. Mit sofortiger Wirkung sei beschlossen worden, das Entwicklungsprojekt DKS 2000 zu stoppen, an dem im Ostberliner Kombinat Nachrichtenelektronik gearbeitet wurde, schrieben Ingenieure des Entwicklungsbereichs am Donnerstag in der Ost-'Berliner Zeitung‘. Das Kombinat sei zudem „schon fast in Auflösung begriffen“. Das Erbe will der Stuttgarter Konzern SEL antreten, der gegenüber der taz Verhandlungen mit dem Ziel eines Joint- ventures mit dem Kombinat bestätigte.

Bereits vor 13 Monaten sei ein ähnliches Forschungsprojekt in der DDR abgebrochen worden, das schon 300 Millionen DDR -Mark verschlungen hatte, schrieben die Ingenieure weiter. Die Kombinatsleitung bezeichnete das neuerliche Aus „trotz der Millionenverluste“ als gerechtfertigt. Eine komplette Systemlösung hätte „rund eine Milliarde Mark verschlungen, und das für ein Produkt, das zum Zeitpunkt seiner voraussichtlichen Marktreife 1995 sechs bis acht Jahre hinter dem internationalen Standard zurückgelegen hätte“. Bedroht seien 500 Arbeitsplätze. Man sehe nur noch im Zusammengehen mit einem westdeutschen Konzern eine Möglichkeit, konkurrenzfähige Fernmeldetechnik zu fertigen.

Den gibt es allerdings bereits: Der Firmensprecher der zum französisch-belgischen Alcatel-Konzern gehörenden SEL, Engelbert Totsche, sagte, das geplante Gemeinschaftsunternehmen solle digitale Vermittlungstechnik an die DDR-Post liefern können. Die Vermittlungszentralen werden von der DDR-Post in großer Stückzahl benötigt, um die marode Telefon-Infrastruktur zu verbessern. Aus dem Westen durften solche Anlagen bis vor kurzem offiziell nicht geliefert werden, weil Teile davon gegen die „Cocom„ -Bestimmungen zur Verhinderung des Exports rüstungstauglicher Güter verstießen. SEL hatte bereits im letzten Dezember eine Vermittlungsstelle an die DDR-Post übergeben und vor kurzem die Lieferung weiterer 14 Containeranlagen bekanntgegeben.

Der Markt für digitale Vermittlungstechnik ist einer der am härtesten umkämpften Sektoren der internationalen Telekommunikationsindustrie. Größter inländischer Konkurrent von SEL ist Siemens.

diba