Kita-Streik - bundesweites Signal?

■ Kita-Streik in Berlin geht in die siebte Woche / ÖTV und GEW wollen tarifliche Festschreibung der Arbeitsbedingungen / Rot-grüner Senat will auf keinen Fall Zusatztarifvertrag

Berlin (taz) - Auch nach sechs Wochen Streik in den Berliner Kindertagesstätten bleibt der rot-grüne Senat starr - die 40.000 betroffenen Kinder müssen weiterhin vor verschlossenen Türen auf eine Lösung warten. Bürgermeister Walter Momper (SPD) und Innensenator Erich Pätzold (SPD) wollen der Forderung nach tariflicher Festschreibung der Arbeitsverhältnisse nicht weichen. Ihre beiden Argumente: Es wäre ein Eingriff in das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses, außerdem sei die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ein Zusammenschluß der öffentlichen Arbeitgeber auf Bundesebene - gegen solch einen Zusatztarifvertrag, weil er „Signalwirkung“ für andere Bundesländer hätte.

Aber Mompers und Pätzolds Argumente sind nicht unberechtigt. Denn Arbeitskampfmaßnahmen gibt es nicht nur Berlin. Im Februar „warn„streikten die ErzieherInnen der Hamburger und Frankfurter KiTas nach „Berliner Vorbild“ (GAL). Denn in der Hansestadt warten etwa 10.000 Knirpse auf einen Platz, und in der Bankenmetropole sind über zehn Prozent der 1.300 ErzieherInnen-Stellen unbesetzt.

Doch die Proteste sind zumindest in Frankfurt vorerst eingestellt. Der Magistrat hat den Tariflohn für jüngere Mitarbeiter um zehn Prozent und den Lohn für VorpraktikantInnen von 150 Mark auf 750 Mark monatlich erhöht. Daß in beiden Großstädten „nur auf den Berliner Zusatztarifvertrag gewartet wird“, dementiert Berlins ÖTV -Chef Kurt Lange allerdings vehement.

Auch im Berliner Senat werden die SPD-Argumente nicht geteilt. Die drei AL-Senatorinnen machten in der vergangenen Woche einen Vorstoß. Sie wollen, daß mit den Gewerkschaften ein Zusatztarifvertrag ausgehandelt wird. Jugendsenatorin Anne Klein (AL) erklärte in einem taz-Interview, daß auch der gültige Tarifvertrag, in dem die Entlohnung festgeschrieben ist, „Einfluß aufs Budgetrecht nimmt“. Und sollten ErzieherInnen in anderen Bundesländern einen Zusatztarifvertrag nach Berliner Vorbild fordern, könne man das „weder verhindern noch befördern“.

Der ÖTV-Zentrale in Stuttgart ist der Berliner Streik jedenfalls viel wert. Zwölf Millionen Mark mußten bisher aus der Streikkasse an die streikenden ErzieherInnen bezahlt werden.

Der Senat reibt sich dabei die Hände: In den sechs Wochen hat er bereits 20 Millionen Mark für Gehälter und Versorgung eingespart. In etwa das Geld, das die für Januar 1990 versprochenen zusätzlichen 248 Stellen kosten sollen. Weil der Senat diese Stellen ohne Zusatztarifvertrag jederzeit wieder streichen kann, haben sich die ErzieherInnen mit dem Angebot bisher nicht zufrieden gegeben.

Derweil müssen selbst Krankenhäuser für die Kinder ihrer Mitarbeiter Not-Kitas einrichten. Das verschärft die Unterversorgung weiter. „Wir müssen dafür dringend benötigte Krankenschwesetrn abstellen“, so eine Mitarbeiterin des Urban-Krankenhauses (2.000 Mitarbeiter), „die freie Wirtschaft kann sich zusätzliche Mitarbeiter leisten.“

Dirk Wildt