Ost-SPD schickt Böhme ins Rennen

Parteitag eröffnet / Gegenkandidat erhielt drei Stimmen / Zehn Punkte für Verhandlungen mit Bonn  ■  Aus Leipzig Matthias Geis

Noch vor Beginn des ersten SPD-Parteitags in Leipzig ist die spannendste Entscheidung bereits gefallen. Ibrahim Böhme erhielt in einer Sitzung des Gründungsvorstandes das Votum für den Parteivorsitz und die Spitzenkandidatur der SPD zu den Volkskammerwahlen am 18.März. Für Böhme sprachen sich im Vorstand 21 Mitglieder aus. Sein Konkurrent Meckel erhielt lediglich drei Stimmen.

Der Parteitag entlastete gestern nachmittag den Gründungsvorstand von Schwampe und wird morgen den neuen Vorstand wählen. Überraschungen sind unwahrscheinlich, aber noch hat der Parteitag die Möglichkeit, alternative Vorschläge einzubringen.

In einer deutlich von der Erwartung des klaren Wahlsieges geprägten Rede stellte Böhme zur Eröffnung einen 10-Punkte -Katalog für die Verhandlungen mit Bonn nach dem 18.März vor. Darin appellierte Böhme an die Solidarität der BRD und plädierte für die Einführung der Währungsunion bis zum 1.Juli 1990. Die Ersparnisse der DDR-BürgerInnen sollen im Verhältnis 1:1 ausbezahlt werden. Teilbeträge müßten allerdings unter Berücksichtigung sozialer Aspekte eingefroren werden. Auch die Freigabe der Verbraucherpreise solle schrittweise angepaßt werden. Die geforderte Absicherung gegen Arbeitslosigkeit blieb in Böhmes 10-Punkte -Katalog ebenso vage wie Maßnahmen zur Verhinderung von Spekulation mit Grund und Boden. Immerhin erklärte Böhme die Ergebnisse der Bodenreform von 1955 auch bei einer zukünftigen Vereinigung für unantastbar. Böhme forderte weiter einen Stabilitätspakt, der die Konkurrenz der DDR -Betriebe gegenüber den produktiveren Unternehmen der BRD abmildern müsse.

Im Gegensatz zur Delegiertenkonferenz der SPD Ende Januar werden diesmal nicht mehr die Forderungen nach staatlicher Einheit, sondern die damit verbundenen sozialen Folgen im Zentrum des Leipziger Parteitags stehen. „Die Einheit ist gegessen“, so ein Delegierter am Rande, „jetzt kommen die Probleme.“

Für innerparteilichen Dissens werden auch diesmal wieder Anträge zur Quotierung, zur Mitgliedschaft ehemaliger SEDler in der neuen Partei sowie zum demokratisch-sozialistischen Selbstverständnis der SPD sorgen. Wohl um die lästige Sozialismusdebatte zu verhindern, zeigte sich die Antragskommission gleich zu Beginn kompromißbereit. Im Parteistatut wurde der Begriff „demokratischer Sozialismus“ gestrichen. „Die SPD steht in der Gemeinschaft der in der Sozialistischen Internationale vereinigten Parteien“, heißt es jetzt im Statut.