Vorlauf: Aus der Hüfte

■ Kellers TV-Tips

Karneval und Fasching dräuen, unvermeidlich, unübersehbar, unausweichlich. Mit einer Mischung aus Kommandofröhlichkeit und relativierenden Spiel- oder Dokumentarfilmen semi -apokalyptischen Charakters versuchen die Kanalarbeiter sowohl privater als auch weniger privater Provenienz, dem närrischen Treiben gerecht zu werden.

Während zum Beispiel am Samstag abend um 20.15 Uhr der knollige Mike Krüger für die ARD in einer Superlachparade Komiker und Komödianten, Blödler und Klamotteure präsentiert (was das Schlimmste befürchten läßt), erinnert gleichzeitig das ZDF mit dem Katastrophenfilm Höllenfahrt der Poseidon sublim, aber wirkungsvoll daran, wie schnell wir uns doch mit dem verknöcherten Antlitz Gevatter Tods konfrontiert sehen können.

Am Sonntag kehrt sich das Verhältnis um: Um 20.15 Uhr läßt das ZDF Die Narren los und berichtet über Karneval von Nord bis Süd, während in der ARD unter dem Titel Tempel der Versuchung Hollywoods Version der Geschichte vom verlorenen Sohn abgespult und technocolorisiert doch sehr nachdrücklich von den Verlockungen sündhaften Lebens gewarnt wird, dies vermutlich wirkungsvoller als jedes noch so leidenschaftlich vorgetragenen Wort zum Sonntag es je vermöchte.

Endgültig alles klar aber macht Pro 7 mit der sinnstiftend arrangierten sonntäglichen Ausstrahlung, 12.20 Uhr, des Science-fiction-Films Der Jüngste Tag (sic!), der in seinem Ursprungsland USA als When Worlds Collide bekannt ist. In dem 1951 gedrehten Apokalyptical sorgen zwei voll unbändiger Fröhlichkeit durchs All taumelnde Planeten mit Namen Bellus und Zyra dafür, daß die Erde von der Milchstraße gefegt wird. Ein kluger Wissenschaftler läßt rechtzeitig ein Raumschiff bauen, welches vierzig Auserwählte zu einem Gestirn mit erdähnlichen Lebensbedingungen transportieren soll. Finanziert wird das Projekt von einem philanthropischen Milliardär, der am Ende gar großherzig auf seinen eigenen Platz in der Arche Noah verzichtet. Wenn schließlich New York unter einer gigantischen Flutwelle versinkt, nur noch das Empire State Building aus den Wassern ragt und das Schicksal mit gigantischen Ozeanriesen Schiffchen versenken spielt, dann sollte auch der leichtlebigste und angetrunkenste Faschingsprinz die Botschaft verstanden haben: Die Vorladung zum Jüngsten Gericht kommt schneller als man denkt. Die Programmverantwortlichen von Pro 7 haben das klar erkannt, weshalb sie ihre abendliche Spaßsendung um 22.50 Uhr auch vorsichtig Einstweilige Vergnügungen nennen, ein wie mahnend plaziertes Motto, das auch allen Nicht-Sehern und -Seherinnen an diesen Tagen voller Oberflächlichkeit und Fleischeslust von unseren sorgenden Fernsehanstalten brühwarm ans Lebkuchenherz gelegt wird. Und mit dieser medialen Vergnügnungssuchtberatung vertreiben wir uns die Zeit bis zum Aschermittwoch, wenn die Direktive ergeht: (Show-)Business as usual.

Harald Keller