Zeitungen im Iran- Freiheit in Grenzen

Anthony Hyman

Einen kritischen Standpunkt einzunehmen heißt nicht, daß jemand gleich ein Konterrevolutionär sein muß oder gegen die Velaqat-e Faquih (islamisches Prinzip der Regierung) ist. Wir sollten den Leuten das Recht zum Ausdruck ihrer Opposition ebenso zugestehen wie das Stimmrecht bei Wahlen.“

Der hier im September letzten Jahres in Teheran so offen für größere Toleranz und die Freiheit der Rede für Iraner eintrat, war ein wichtiger Mann im Klerus und bis vor kurzem noch höchster Richter des Iran, Ayatollah Abdul Karim Musavi Ardebili.

Obwohl Radio und Fernsehen des Iran Staatsmonopole und unzweifelhaft regimetreu sind - übrigens unter der Direktion von Rafsandschanis Bruder -, ist die gedruckte Presse in einer anderen Kategorie anzusiedeln. Eine lebendige und durchgehend interessante Presselandschaft ist im Nahen Osten keine Selbstverständlichkeit. Verglichen mit den meisten Staaten dieser Region genießen Zeitungen und Zeitschriften im Iran beträchtliche Freiheiten.

Die Nachrichtenagentur 'Islamic Republic News Agency‘ (IRNA) versorgt die Presse mit genehmigten Nachrichten, und jeder der fünf national verbreiteten Zeitungen ist ein Zensor zugeordnet. 'Irna‘ wird effektiv geführt und erstellt schnell und einigermaßen objektiv Nachrichtenberichte. Man benutzt zwar auch die Berichte von 'Reuters‘, 'ap‘ und anderen ausländischen Agenturen, aber der Mangel an Devisen führt gewöhnlich doch zu einer größeren Abhängigkeit von 'Irna‘.

In Saudiarabien wie im Irak und den meisten arabischen Staaten nehmen die Zeitungen eine Haltung demütiger Unterwerfung unter ihre jeweiligen Potentaten ein. Im Gegensatz dazu fällt an der iranischen Presse sofort die häufig scharf formulierte Kritik an der Politik der Regierung auf. Der Vergleich mit der streng kontrollierten Presse des Irak zum Beispiel fällt eindeutig zugunsten des Iran aus.

Am Beginn der islamischen Revolution konnte die Presse für kurze Zeit in einem weitaus freieren politischen Klima agieren, als es je unter der Kontrolle des „Savak“ denkbar war. Die Phase größter Toleranz oder Liberalität dauerte jedoch nur kurze Zeit, etwa von Mitte 1978 bis zum August 1979. Von da an bis zum Juni 1981, als in den Straßen Teherans und anderer Städte buchstäblich Bürgerkrieg herrschte, war immer noch eine beträchtliche Pressefreiheit zu verzeichnen. Die Unterdrückung oppositioneller Organe führte dann jedoch schnell zu einem allgemeinen Niedergang in der Zahl der Publikationen. So fiel etwa die Zahl persisch-sprachiger Zeitungen insgesamt von 227 im Jahr 1980 auf nur noch 97 im Jahr 1984.

Zur Zeit erscheinen fünf national verbreitete Tageszeitungen im Iran. Eine grobe Schätzung ihrer Vertriebsauflage (wie sie von unabhängigen iranischen Verlegern gegeben wurde) ist weiter unten in Klammern angegeben. Keine der fünf Zeitungen ist wirklich unabhängig vom Staat, alle schreiben generell regimefreundlich. Dennoch sind sie durchaus nicht als Sprachrohr der Regierung anzusehen, sondern oft recht kritisch in ihrer Haltung zur Regierung oder bestimmter Regierungsmaßnahmen.

-'Kayhan‘ (Universum, 150.000) wird als eindeutig regierungsfreundlich eingeschätzt, wobei die Zeitung den Kurs von Präsident Rafsandschani, seine pragmatische Politik zur Lösung der Probleme des Landes unterstützt.

-'Abrar‘ (wahrhaftig geführt, 20.000) begann als radikal -islamisches Organ und übernahm die konfiszierten Druckerpressen und Büros der linken Zeitung 'Azadegan‘. Sie ist Rafsandschani eng verbunden.

-'Resalaat‘ (Die Botschaft, 20.000); der Besitzer und Herausgeber ist ein prominentes Mitglied der Madschlis, der freie Unternehmer und Kleriker Hojatolislam Ahmad Azari -Qomi. Die Zeitung spricht sich gegen jede Einschränkung des freien Unternehmertums durch die Regierung aus und spiegelt die Haltung eines großen Teils der besitzenden Bevölkerung.

-'Ettelaat‘ (Die Nachricht, 120.000) repräsentiert eine konservative, klerusfreundliche Strömung, die innerhalb der Madschlis beträchtliche Gefolgschaft hat.

-'Jumhuri Islami‘ (Islamische Republik, 30.000) ist die 1979 von den Gründern der Partei der Islamischen Republik gegründete radikale Zeitung. Wenngleich diese Partei inzwischen offiziell nicht mehr agiert, argumentiert 'Jumhuri Islami‘ doch weiterhin für einen theokratischen Staat, dominiert vom Klerus. Hier findet man regelmäßig Angriff auf alle, die nicht mit dieser Vorstellung einer islamischen Ordnung übereinstimmen, und ihre Denunzierung als anti-islamisch. Gleichzeitig ist die Zeitung ausgesprochen anti-westlich orientiert. Als Präsident Rafsandschani im Oktober letzten Jahres westliche Journalisten nach Teheran einlud, erging Jumhuri sich in wüsten Attacken und etikettierte sie alle als „ausländische Spione“.

Zusätzlich zu diesen Publikationen gibt es noch zwei englischsprachige, 'Tehran Times‘ und 'Kayhan International‘, sowie eine arabische Ausgabe von 'Kayhan‘. Obwohl die englischen Zeitungen wohl nur kleine Verkaufszahlen erreichen, ist ihre Präsentation der Nachrichten gleichwohl bemerkenswert. Die 'Tehran Times‘ wird generell als unmittelbarer Ausfluß der Positionen des Außenministeriums angesehen, das heißt sie repräsentiert das moderate, pro-westliche Lager.

Die Schlüsseldiskussion in der iranischen Presse gilt zur Zeit dem Charakter der Wirtschaft und den möglichen Lösungen für die vordringliche Aufgabe des Nachkriegswiederaufbaus.

Der Freiheit der Presse sind enge Grenzen gesetzt. Die sogenannte „offizielle Opposition“ der Freiheitsbewegung, angeführt vom Premierminister der Republik, Mehdi Bazergan, ist bei ihren Versuchen, der Öffentlichkeit ihre Positionen vorzustellen, massiven Einschüchterungen ausgesetzt.

Einige der vielen Opposistionsparteien Irans haben im Land selbst eine klandestine Presse aufrechterhalten, ihre wichtigsten Veröffentlichungen erscheinen jedoch im Exil im Irak, Westeuropa, den USA und anderen Ländern. Die radikal-islamische Partei Mojahedin-e-Khalq ist ein prominentes Beispiel. Ihre populäre Wochenzeitung 'Mojahed‘, die im November 1982 verboten und kurze Zeit im iranischen Untergrund produziert wurde, erschien von Dezember 1982 an im Exil. Sie ist dem Personenkult um Masud Radschavi gewidmet, Führer dieser autoritären Partei.

Innerhalb des Iran erscheinen einige sehr erfolgreiche nicht-politische Zeitschriften, sowohl für das generelle als auch ein Expertenpublikum, beispielsweise über Wirtschaft, Sport, Literatur und internationales Kino. Irans Pressegesetz jedoch schränkt die Freiheit von Journalisten und Verlegern extrem ein.

Der Buchproduktion erwachsen zudem Probleme nicht nur durch die Zensur, sondern auch durch die ökonomische Situation. Es herrscht akuter Papiermangel, und die hohen Kosten erlauben keine Einfuhr über den freien Markt. Ein kafkaeskes Zensursystem für Bücher schüchtert sowohl Verleger als auch Autoren ein. (Eine Groteske hierzu schrieb Esmail Fassih: The Status: a day in the life of a contemporary Iranian writer, veröffentlicht im 'Third World Quarterly‘, London).

Für alle unabhängigen Verleger im Iran ist „das Papier zu einem lähmenden Krebsgeschwür geworden“, wie Esmail Fassih es ausdrückt. Der Markt für Bücher ist andererseits wirklich da.

Nachdem die Regierung Produktion und Vertrieb von Papier übernommen hatte - und besonders nach der Zerstörung der wenigen iranischen Papiermühlen durch irakische Bombenangriffe -, wurde Papier knapp und schließlich rationiert, wie alle Einfuhrgüter. Papierzuteilungen für Chomeinis Traktate, religiöse Werke und regimefreundliche Bücher, die alle von staatlichen Verlagen in großen Auflagen publiziert werden, sind ohne Probleme zu bekommen. Auf dem sogenannten „freien Bazar“, dem schwarzen Markt also, sind die Preise allerdings so unbarmherzig gestiegen, daß die Produktion von Büchern völlig unprofitabel zu werden droht.

Die großen unabhängigen Verlagshäuser im Iran haben bisher einigen Ideenreichtum gezeigt, um in so schwierigen Zeiten schlicht zu überleben. Jetzt hoffen sie darauf, im langerwarteten Nachkriegsboom bald mit geringeren ökonomischen und politischen Sorgen ihre Märkte entwickeln zu können. Und sie hoffen auf die überfälligen Liberalisierungsmaßnahmen.

Bis jetzt jedoch hoffen sie nur.

Anthony Hyman, ein Experte zum Nahen Osten, war kürzlich zu einem Besuch in Teheran.