Index on Censorship: Iran

Chomeini ist schon fast ein Jahr tot, aber die politische Sprengkraft seiner politischen Version des Islam hat ihn überlebt.

Zur Kenntnis ist zu nehmen, daß nicht nur westliche (Markt -) Freiheitsvorstellungen - deren Folgen für die Freiheit des Wortes im Januar hier vorgestellt wurden - oder Ideologien der nationalen Überheblichkeit in die sich befreienden Gesellschaften des zusammenbrechenden Realsozialismus einströmen. Die in Brand gesteckten Grenzpfähle zwischen Aserbaidschan und Iran, der nicht enden wollende Aufruhr im Kosovo und Anschläge in moslemischen Städten Jugoslawiens gegen Buchhandlungen, die Salman Rushdies Buch „Die satanischen Verse“ führen, zeigen an, daß auch die Vertreter des politisierten Islam ein Recht auf freie Verbreitung ihrer Erlösungsvorstellungen geltend machen.

Die Erneuerung des Mordbefehls gegen Rushdie zum Jahrestag läßt vermuten, daß die mobilisierende Kraft dieser Kampagne in Kreisen der Mächtigen von Teheran höher eingeschätzt wird als irgendwelche folgenlosen und nicht durch Machtapparate gestützten Proteste aus dem internationalen Ausland (Japan und die BRD sind weiterhin die wichtigsten westlichen Handelspartner Irans).

In den drei - sehr unterschiedlichen - Haupttexten dieser Auswahl scheint nebenher auch der alarmierende Trend durch, mit dem die Medien der Massenkommunikation und insbesondere das Fernsehen ungehindert und zunehmend global für Desinformation und massive Ideologisierung in Dienst genommen werden.

In Ländern mit hoher Analphabetenquote - wie Iran und Ägypten - scheint mir dies kaum weniger gefährlich als in Gesellschaften, in denen der größte Teil der Bevölkerung sich einer permanenten Berieselung durch die Unterhaltungsmaschinerie der Medienindustrie ausliefert.

U.R.

Seit Mai 1988 übernimmt die taz einmal im Monat Beiträge aus der in London erscheinenden Zeitschrift 'Index on Censorship‘: Diese widmet sich verbotenen Texten aus aller Welt und wird in über 100 Ländern vertrieben. Auswahl und Übersetzung: Uta Ruge