Kein Mitleid für George Bush

Japanische Regierung blockierte Handelsgespräche mit den USA / Drei Forderungen aus Washington zurückgewiesen  ■  Aus Tokio Georg Blume

Selten zuvor hat sich eine hochrangige Handelsdelegation der US-amerikanischen Regierung so abfertigen lassen wie gestern in Tokio. Nein, nein und noch ein drittes Mal nein sagten Nippons Herren zum dreiteiligen Forderungskatalog von George Bush und machten klar, daß sich Tokio nicht von Washington in die Innenpolitik reinreden lasse. Bushs Japan-Politik erlitt am Freitag einen schweren Rückschlag.

Mit dem damaligen Premierminister Sosuke Uno war Bush im Frühjahr 1989 übereingekommen, in den SII talks, Gesprächen über die strukturellen japanischen Handelshemmnisse aufgrund der US-Structural Impediments Initiative, die Wege aus der Handelskrise zwischen beiden Ländern zu suchen. Das Handelsdefizit der USA gegenüber Japan belief sich 1989 auf 49 Milliarden US-Dollar. Nach zwei erfolglosen SII-Verhandlungsrunden im letzten Jahr bezog der US-Verhandlungsleiter Lynn Williams nun während der dritten SII-Gespräche am Donnerstag und Freitag in Tokio klare Position. Er verlangte die sofortige Streichung eines japanischen Gesetzes über den Bau von Warenhäusern zum Schutz von Kleinbetrieben, ein neues japanisches Gesetz zur sofortigen Reduzierung der hiesigen Land- und Bodenpreise, und die Aufstockung des japanischen Staatsbudgets für öffentliche Investitionen von heute sechs auf zehn Prozent des Bruttosozialprodukts innerhalb von drei bis fünf Jahren.

Alle drei Forderungen lehnten die japanischen Verhandlungspartner brüsk ab. Als Ergebnis der dritten SII -Runde wurde nur ein Zwischenbericht über die Gespräche in Aussicht gestellt. Deutlicher ließ sich das Scheitern des US -japanischen Dialogs nicht darlegen. Die US-Forderungen zielten auf Vergünstigungen für ausländische Unternehmen auf dem japanischen Markt, aber auch auf die Wahrung japanischer Verbraucherinteressen.

Das umstrittene japanische Warenhausgesetz verbietet großen Supermarktketten die Einrichtung neuer Filialen, falls Kleinbetriebe und Lokalregierung vor Ort nicht einverstanden sind. Ein solches Einverständnis erwerben die Warenhausketten oft nur nach jahrelangen Verhandlungen in der betreffenden Gegend - ausländischen Konkurrenten fehlt dafür Zeit und Geld. Zwar bot die japanische Regierung den US-Partnern nun an, diese Verhandlungszeit eventuell von maximal zehn Jahren auf zwei Jahre zu reduzieren, an eine einfache Streichung des Gesetzes, die allein den US -Unternehmen den beschwerlichen lokalen Verhandlungsweg ersparen könnte, denke die Regierung in Tokio jedoch keinesfalls.

Ebenso irrsinnig für Nippons Mächtige ist ein Gesetz zur Land- und Bodenpreissenkung, das die US-Regierung aufgrund der hohen Erstinvestitionskosten für ausländische Unternehmen fordert. Darüber hinaus argumentieren die USA, daß gerade die hohen Landpreise viele Japaner zum Sparen zwingen und ihr Geld damit auf dem für US-Unternehmen lukrativen Verbrauchsgütermarkt fehlt. Zur Beruhigung verwies der japanische Verhandlungsleiter auf ein bereits im Dezember 1989 verabschiedetes Gesetz, das die Steuern auf landwirtschaftlich genutztes Gelände in den Städten erhöht damit soll die Bebauung der restlichen Felder in Tokio gefördert werden. Lynn Williams brachte seine ganz japanische Höflichkeit auf, als er diese Erklärung als „wenig kreativ“ bezeichnete.

Der dritte Punkt, die Aufstockung öffentlicher Aufgaben, ist für die Tokioter Regierung ebenfalls ausgeschlossen. Damit werde nur das in Japan aufgrund des Arbeitskräftemangels bereits bedrohliche Inflationsrisiko erhöht, warnte das japanische Finanzministerium. Auf völlig verlorenem Posten argumentierte dagegen Lynn Williams, daß vielen Japanern so selbstverständliche Dinge wie Schwimmbäder, Parkanlagen und Krankenhäuser nur in äußerst knapper Zahl zur Verfügung stünden.

Während Williams noch so redete, erlebte die Tokioter Börse am Freitag den fünftgrößten Tagessturz ihrer Geschichte. Bezeichnend für das Kräfteverhältnis zwischen Tokio und Washington ist, daß unter den japanischen Kommentatoren niemand auch nur auf den Gedanken kam, den Börsensturz mit den gescheiterten US-japanischen Gesprächen zu erklären.