Wirtschaft in die eigene Tasche

■ Ministerrat will verstaatlichte Betriebe reprivatisieren / Frühere Eigentümer sollen zu den Bedingungen von 1972 behandelt werden / Nachweis der „erforderlichen Qualifikation“

Berlin (taz) - Für die Beschäftigten der PGH Autodienst in Gera ist es schon seit Wochen klar, daß ihre „Produktionsgenossenschaft des Handwerks“ bald aufgelöst wird. Die vier, vielleicht auch fünf Meister, die sich mit dem Bestand der PGH in neuen Betrieben selbständig machen wollen, sind ihrem Ziel am Donnerstag ein Stück näher gekommen: Der Ministerrat verabschiedete einen Gesetzentwurf, der die Gewerbefreiheit wieder einführt und die Reprivatisierung der Betriebe vorsieht, die 1972 verstaatlicht worden waren.

Die Meister sind entschlossen, die PGH Autodienst noch im Juni aufzulösen. Zum einen wollen sie endlich auf eigene Rechnung und in die eigene Tasche wirtschaften; zum anderen sind einige der langjährigen Meister früher die Eigentümer der Firmen gewesen, aus denen die PGH entstand. Einige von ihnen sind in den letzten Wochen schon nach Westdeutschland gefahren: Schulungen in Betriebs- und Rechnungsführung sind derzeit der große Renner unter Handwerkern, Architekten, Einzelhändlern oder Lkw-Fahrern mit Geld auf der hohen Kante.

Doch da gibt es einige juristische Probleme, nicht nur für die Angehörigen des Dienstleistungssektors als neuem dritten Stand, sondern genauso für mittelständische Produktionsbetriebe. Zum einen erlaubt der Gesetzentwurf zwar den Kauf der staatlichen Betriebe oder von Anteilen daran. Die neue DDR-Regierung oder die Volkskammer, die die Entwürfe am 6. und 7.März diskutieren will, wird sich aber auf Streit um die Rückerstattung der Betriebe gefaßt machen müssen. Zwar gab Leichtindustrieminister Gunter Halm bekannt, daß der Gesetzentwurf einen Passus enthält, nach dem die früheren Vermögensrechte wiederhergestellt werden sollen; außerdem bekommen die früheren Inhaber oder deren Erben die Betriebe zu den gleichen Bedingungen zurück, wie deren Umwandlung erfolgte. Unklar ist aber zum einen, wie heruntergewirtschaftete Betriebe entschädigt werden sollen und umgekehrt, wie die Investitionen seit 1972 berechnet werden sollen.

Außerdem gab Halm bekannt, daß die neuen Besitzer, wenn sie die Gewerbe auch betreiben wollen, dazu die entsprechende Qualifikation nachweisen müssen. So sinnvoll das ist, so schwierig dürfte es werden, im hochregulierten und weit ausgefächerten Berufsspektrum der DDR den richtigen Abschluß vorweisen zu können. Einstweilen ist sogar für den Betrieb einer Kneipe noch eine entsprechende Ausbildung nötig.

Insgesamt lägen dem Ministerrat 1.300 Anträge und Anfragen zur Reprivatisierung vor, gab Halm bekannt. Einige davon stammen auch aus Gera.

diba