Ost-Berlins neuer OB in alter Couleur

Der Ostberliner OB Krack trat nach 16 Jahren Amtszeit zurück  ■  Aus Ost-Berlin Kordula Doerfler

In Ost-Berlin ging gestern eine Ära zu Ende: Nach 16 Jahren Amtszeit reichte der Oberbürgermeister der östlichen Halbstadt Erhard Krack, bisher SED, jetzt PDS, seinen Rücktritt ein. Er zog damit die Konsequenzen aus den Vorwürfen der Stadtverordnetenversammlung, die vor vierzehn Tagen gegen ihn erhoben worden waren. Krack wurde aufgefordert, die politische Verantwortung für die Wahlfälschungen bei der letzten Kommunalwahl am 7.Mai 1989 zu übernehmen. Der OB kündigte daraufhin den Rücktritt an.

Gestern trat im Roten Rathaus erneut die Stadtverordnetenversammlung zusammen, um offiziell einen Nachfolger zu benennen. Krack erschien zu der Sitzung nicht selbst, sondern gab offiziell aus Krankheitsgründen sein Amt in schriftlicher Form zurück. Er übernimmt darin die Verantwortung für die Wahlmanipulationen und bezeichnet sie als auf das höchste verwerflich. „Als Politiker kann ich mich von einer Mitverantwortung für diese Auswüchse eines, wie wir heute wissen, deformierten politischen Systems nicht freisprechen“, heißt es in dem Schreiben.

Obwohl der Rücktritt so gut wie sicher war, schien dieser die Gemüter der Delegierten nicht sehr zu bewegen. Von den insgesamt 225 Stadtverordneten waren nur 132 zur Sitzung erschienen, in der, wenn auch nur für eine Übergangszeit, ein Nachfolger gewählt werden sollte. Nach einer kurzen und farblosen Debatte einigte man sich darauf, nicht nur einfach einen der Stellvertreter zum OB zu ernennen, sondern förmlich einen neuen zu wählen. Die derzeit die Geschäfte führende Stellvertreterin Ingrid Pankratz lehnte wegen familiärer Belastung eine Nominierung für das Amt ab. So wurde schließlich nur ein Kandidat für die Wahl aufgestellt, der dann auch mit 63 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Neuer OB von Ost-Berlin ist der bisherige Kulturstadtrat Christian Hartenhauer, Diplom-Ökonom, PDS-Mitglied, aber Mandatsträger des Kulturbundes. Der neue OB kündigte an, er wolle sich so schnell wie möglich mit seinem Westberliner Amtskollegen Momper treffen.

Erneut übernimmt damit ein eher blasser Politiker die Ostberliner Verwaltung, der aber nach bisher geltendem DDR -Recht ohnehin nicht viel zu sagen hat. Krack saß zwar im Ministerrat und im ZK der SED, traditionell stand die Ostberliner Verwaltung aber im Schatten der Hauptstadt und besaß kaum Handlungsspielraum. Erst nach der Wende trat er ins Rampenlicht und war auch an Kontakten zum Westberliner Senat interessiert, die seit der Spaltung der Berliner Verwaltung 1948 nicht mehr bestanden.

In West-Berlin gingen dem Rücktritt Kracks verschiedenste Spekulationen voraus: So wurde ein Szenario erstellt, daß sich die Stadtverordnetenversammlung auflöst und die Regierungsgeschäfte an den Westberliner Senat übergibt. In einzelnen Ostberliner Bezirken sind die Verwaltungen kurz vor dem Zusammenbruch, einen Haushaltsplan für dieses Jahr gibt es bis heute nicht. Während über längere Zeit Gerüchte kursierten, daß der Regierende Bürgermeister von West -Berlin, Walter Momper, daran durchaus nicht desinteressiert sei, setzt die Berliner SPD neuerdings auf ein Bundesland Berlin-Brandenburg. Im Augenblick ist immer noch unsicher, ob am 6. Mai in Ost-Berlin Kommunalwahlen stattfinden. Siehe auch Seite 5