Kein Verlaß auf Kanzlerwort

■ Investoren, die sich auf ein Kanzlerwort verließen, verloren Millionen / Banker vor Gericht

Frankfurt (taz) - Während sich die Bundesregierung anschickt, umgehend in der DDR den Kohlschen „Marksismus“ einzuführen, bezichtigt ein Investor aus Pfronten (BRD) die Bundesregierung der „Inkompetenz“ - ausgerechnet in Geldangelegenheiten. Der Mann wollte sich mit 18 Millionen DM an den „Aquadrom„-Projekten des Bankiers Heinz Steinhard beteiligen, der mit dem Bau der „Spaßbäder“ seinen maroden Finanztempel in Pforzheim sanieren wollte.

Doch der kluge Mann baut vor: Der Bayer aus Pfronten holte im Bundeskanzleramt Informationen über den Badenser Bankier aus Pforzheim und seine Projekte ein, ehe er ihm die Millionen rüberschob. Auf seine Anfrage hin teilte ihm der Staatsminister im Bundeskanzleramt Lutz Siavenhagen schriftlich mit, daß der Bundeskanzler die Pläne Steinhards zur Errichtung der „Spaßbäder“ begrüße und für deren „rasche Realisierung“ eintrete. Daß Kanzlerfreund und -mitarbeiter Siavenhagen CDU-Abgeordneter des Wahlkreises Pforzheim ist, interessierte den Investor nur am Rande. Die „Kanzlerbürgschaft“ Kohls für den Bankier Steinhard ließ die Kohle in die Immobilienfonds des Pforzheimers fließen.

Doch gebadet wird in den „Aquadromen“ des Herrn Steinhard bis heute nicht. Baden gingen lediglich die Investoren, die jetzt vor dem Mannheimer Landgericht der Reihe nach antanzen, um ihre insgesamt 77 Millionen DM Verluste zu beklagen. Steinhard hatte das ihm anvertraute Geld nämlich rechtswidrig „für andere Zwecke“ seiner Unternehmensgruppe verwendet, wie es in der Anklageschrift heißt. Das brachte ihn jetzt auf die Anklagebank, auf der seit Donnerstag (unsichtbar) auch der Bundeskanzler sitzt: Der geschädigte Investor aus Pfronten hielt den verdutzten Richtern in Mannheim nämlich wutschnaubend den Brief aus dem Kanzleramt vor die Nasen. Daß „Geschäft“ mit Steinhard habe er nur getätigt, weil er sich auf das „Gutachten aus Bonn verlassen“ habe.

Fazit: Wer sich auf den Kanzler verläßt, ist verlassen. Vielleicht sollten Frau Luft und Herr Modrow, Herr Böhme und Herr Eppelmann die Tage mal ins Allgäu fahren und mit dem „Aquadrom„-Investor über den ökonomischen Sachverstand des Bundeskanzlers sprechen - bevor sie den Kohlschen „Marksismus“ über die offene Grenze lassen.

Klaus-Peter Klingelschmitt