Mit Hans Modrow in die Opposition

■ Der Ministerpräsident ließ sich in letzter Minute umstimmen / Statt „führender Rolle der Partei“ nun Sperrminorität / Bericht aus der West-taz

Berlin (taz) - Spannung gewann der Wahlparteitag der PDS vor allem durch eine Frage: Wird Hans Modrow noch einmal für seine Partei antreten? Als er am Sonntag morgen schließlich erklärte: „So bleibt mir wohl nur noch die Möglichkeit, ... mich so zu entscheiden und verhalten, daß ich die Kandidatur annehme...“, war die Begeisterung groß.

Seine Entscheidung war ihm sichtlich nicht leicht gefallen. Noch am Tag zuvor hatte er abwinken wollen. Erst der starke moralische Druck der Parteibasis, die sich im Haus des Parteivorstandes am Marx-Engels-Platz versammelt hatte, und die Argumente seiner GenossInnen in einer Nachtsitzung des Parteivorstandes brachten ihn dazu, noch einmal anzutreten.

Seine Kandidatenrede war denn auch eher eine Begründung dafür, warum er genau das nicht wollte: Er habe in der alten SED zu lange Verantwortung mitgetragen, verstehe sein gegenwärtiges Amt als Ministerpräsident als parteipolitisch unabhängig, und wolle vor allem dazu beitragen, daß die Lage im Land bis zu den Wahlen stabil bleibt. Dennoch wollte er die Hoffnungen, die ihn gesetzt werden, nicht enttäuschen.

Für das lädierte Selbstbewußtsein der meisten GenossInnen ist es Balsam, einen auch außerhalb ihrer Partei als grundanständig anerkannten Menschen in den eigenen Reihen zu wissen.

Seine Wahl zum Ehrenvorsitzenden der PDS belegt die Achtung, die ihm - nicht nur in der Partei entgegengebracht wird.

Der Parteiapparat ist ganz erheblich zusammengeschrumpft und große Teile des Parteivermögens sind in Volkseigentum überführt. Unter den Delegierten überwiegen die 20- bis 30 -jährigen. Als sich der Cottbusser Delegierte Thiel mit den Worten vorstellte: „Ich gehöre zu den Alten, ich bin schon drei Monate Bezirksvorsitzender...“, war das eine zutreffende Beschreibung der Veränderungen, die da stattgefunden haben.

Verabschiedet wurden von dem Parteitag ein neues Programm, ein Wahlprogramm und ein neues Statut.

Im Mittelpunkt stand die Rede Gregor Gysis zum Wahlprogramm, ein „Warenhausreferat“. In dem Wust von Einzelforderungen wurden zwei Linien erkennbar: Auch die PDS geht davon aus, daß die Vereinigung der beiden deutschen Staaten kommen wird, doch sie möchte eine „Annexion“ durch die BRD und einen „Ausverkauf“ sozialer Errungenschaften auf jeden Fall verhindern.

Sie will das Eigengewicht der DDR in diesem Prozeß verstärken und ihn in den europäischen Rahmen einbinden. Und sie möchte bei den Volkskammerwahlen - das scheint ihr eigentliches Wahlziel zu sein - zusammen mit anderen Organisationen, die einer allzu schnellen Vereinigung ähnlich kritisch gegenüberstehen, eine Sperrminorität von wenigstens einem Drittel erreichen.

Dann nämlich würden die Parteien, die besonders enge Verbindungen in die BRD haben - wie die „Allianz“ und die SPD - keine für Verfassungsänderungen notwendige Zwei -Drittel-Mehrheit haben.

Doch welche Perspektiven sich darüber hinaus für PDS im Vereinigungsprozeß ergeben, welche Rolle sie als „entschieden linke, sozialistische Partei“ im künftigen deutschen Staat spielen will, darüber war auf diesem Parteitag noch nicht viel zu erfahren.

Walter Süß