Kein erster Preis

■ Preisverleihung beim Wettbewerb für eilig produzierte „Videos zum Thema Selbsthilfe“

Es gab keine goldenen Bären. Es gab Urkunden und Bargeld. Und es gab keinen ersten Preis. Beim ersten Wettbewerb „Videos zum Thema Selbsthilfe“ (ausgerichtet vom Kinder- und Jugendfilmzentrum Remscheid) habe der „inhaltliche Transport“ in den eingereichten Beiträgen nicht so recht geklappt, und vom Einsatz „hervorragender künstlerischer Mittel“ könne gar keine Rede sein, ...war die Meinung der Jury.

Nun haben die Selbsthilfegruppen, deren künstlerisches Werk jetzt in Bonn prämiert wurde, ja in der Regel anderes zu tun, als hochwertige Videoware feilzubieten. Das weiß immerhin auch Familienministerin Lehr (CDU), die anläßlich der Preisverleihung das Lob der Selbsthilfegruppen sang: Die Gruppen hätten eine „große sozialpolitische Bedeutung“ und „kleine Einheiten, die ihre Probleme selbst in die Hand nehmen, dürfen nicht alleingelassen werden. Sie brauchen bei ihren Bemühungen Unterstützung.“

Dies zu hören wird die zirka 45.000 Selbsthilfegruppen in der Bundesrepublik freuen. Gleichzeitig wird es sie verwundern, denn von der zitierten „Unterstützung“ haben sie noch nicht allzuviel gemerkt - viele von ihnen kämpfen seit langem mit Bund, Ländern und Kommunen um ein vernünftiges Budget für ihre Arbeit. Eben weil die Mittel so knapp sind, haben sich diverse Selbsthilfegruppen innerhalb kürzester Frist - zwischen Ausschreibung und Einsendeschluß lagen nicht mehr als zehn Wochen Produktionszeit - an die Herstellung von Videos über ihre Arbeit gemacht. Immerhin winkte zum Zeitpunkt der Ausschreibung des Wettbewerbs noch ein erster Preis von 10.000 D-Mark.

Nun gab es halt, angesichts der qualitätsmindernden Hektik, zwei zweite Preise a 5.000 D-Mark. Den einen holte sich die „Anonyme Spiel-Selbsthilfegruppe“ aus Freiburg mit ihrer Produktion „Das große Spiel“ - einem filmischen Abriß über ihre Arbeit im Spielermilieu: Geldautomaten machen süchtig nach dem Glück der ausgespuckten Groschen und Markstücke. „Dicht und authentisch“ nennt die Jury das Werk der Freiburger.

Von „hervorragender dramaturgischer Gestaltung“ ist indes nach Auffassung der preisrichtenden Journalisten und Medienpädagogen die Dokumentation des Alltags eines Bremer Arbeitslosenprojekts (ebenfalls 2.Preis). Die Filmemacher Hublitz/Struve/Scholz setzten mit ihrem Beitrag „Die Börse“ eine „Selbsthilfeinitiative zur Arbeitsplatzbeschaffung“ der Hansestadt in Szene. - Die Initiative „Recycling-Börse“ könnte ihr Müllvermeidungsunternehmen ab sofort per Videocassette für den Rest der Republik sichtbar machen, wenn...ja, wenn Ministerin Lehr ihr Versprechen wahr macht und einen bundesweiten Verleih der prämierten acht Videos für die Öffentlichkeit finanziert. Dann würden auch die Produktionen der Gehörlosen, der Stotterer und vor allen Dingen auch die „SchattenRISSE“ ihre notwendige Verbreitung finden. Letztere Produktion, hergestellt mit Hilfe von Regisseurin Liane Grimm („Durchblick e.V.“) wurde von den Juroren als „mutig“ klassifiziert: Mitglieder einer „Selbsthilfegruppe Jugendlicher, die einen Bruder oder eine Schwester verloren haben“, erzählen von ihrer Trauerarbeit (3.Preis/4.000 Mark).

Detlef Berentzen

Anfragen bezüglich Videoausleihe: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Frau Bangert, Kennedyallee105/107, 53Bonn2