ZK Zeitungs-Kaos

■ Der erste Produktionstag in der Ost-taz

Die Geschichte schlägt Kapriolen: Noch vor gut vier Monaten verweigerten linientreue DDR-Grenzbeamte Mitarbeitern der von der SED wohl meistgehaßten West-Zeitung die Einreise, nun sitzt die taz mitten im ZK, in ihrem ehemaligen Allerheiligsten. Aus den Fenstern der angemieteten halben Etage hat man einen romantischen Blick auf den Fernsehturm am Alex. Der gestreßten Crew, die hier die erste DDR-Ausgabe der taz produziert, sieht man an, daß sie sich an die hoffnungsvolle Programmatik dieser Adresse noch nicht erinnern mag: Seit gestern ist ZK die Abkürzung für Zeitungs -Kaos.

Bei der SED-„Abteilung BRD“, die einst in diesen engen Zimmerchen residierte, ging es sicherlich nicht so hektisch zu. Die 20 MitarbeiterInnen laufen alle durcheinander, begleitet vom schrillen Gesirre des Robotron-Tickers, der 'adn‘ und 'dpa‘ ausspuckt.

Andre Beck, früher bei 'adn‘, nun zuständig für Außenpolitik und Wirtschaft, rüttelt entnervt an den Schubladen seines Schreibtisches: „Erster Arbeitstag eines taz-Redakteurs: Alles abgeschlossen, niemand hat einen Schlüssel.“ „Versuch's doch mal mit 'ner Büroklammer“, lautet der heiße Tip von Anja Maier, die bis gestern Werbung studierte und nun die „Taiga“ betreut, das Ost-Pendant zur taz-„Wiese“.

Aber auch sie, die gelernte Blei-Setzerin, hat ihre Probleme mit den neuen West-Computern: Plötzlich sind die Kurzartikel für die Seite zwei gelöscht. Das geradezu anrührende Chaos erinnert den aus der West-taz importierten Ost-taz-Koordinator Arno Widmann an die eigenen Gründerzeiten anno 1979: „Damals bin ich mit einer Handvoll Zwanzigzeilen-Meldungen in der Hosentasche rumgelaufen, falls man noch einen Lückenfüller brauchte.“

Lagebesprechung um 12 Uhr im Konferenzraum. In der Ecke stehen noch die wuchtigen SED-Stahlschränke, im Kühlschrank ist nur noch ein Getränk zu haben: Sekt - der kämpferischen Marke „Keßler“ und „Attila“, für den Sieg nach der Produktionsschlacht.

Die ist noch nicht geschlagen, obwohl der Redaktionsschluß wegen des ungünstigen Andrucktermins beim 'Neuen Deutschland‘ verteufelt früh liegt. Seite eins und zwei wollen die DDR-tazler täglich selbst gestalten, die weiteren Seiten stellen sie aus Artikeln der ausgeschlachteten taz -West vom Vortag und eigenen Nachrichten neu zusammen. „Fröhlichen Raubbau an der Mutter-taz“ kündigt denn auch Geschäftsführer Jürgen Kuttner auf der ersten selbstgemachten Kommentarseite an. ZK könnte auch „Zoni -Klau“ bedeuten, oder?

Usche