Dritter Weg gescheitert

Gründe für Wahlniederlage auch im Lager der FSLN  ■ K O M M E N T A R

Was in Washington frenetisch begrüßt und selbstzufrieden gefeiert wurde, löste bei der Soli-Bewegung für Nikaragua den totalen Schock aus. Nüchtern betrachtet ist diese Entscheidung der Nikaraguaner vom Bauch diktiert worden, was aber auch nicht so einfach stimmt. Ortega hatte die Chance, in Nikaragua einen nationalen Konsens zu finden, den schwelenden Bürgerkrieg zu beenden und das Land aus der katastrophalen ökonomischen Krise herauszuführen. Immer drängender wurde die Frage, diese Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen. Jedoch verschlechterte sich die Lebenslage eines großen Teils der Bevölkerung drastisch, was nicht ohne Auswirkungen auf die Popularität der Sandinos blieb.

Die beschworene These, erst die Contras schlagen und dann wird die Wirtschaft in Ordnung gebracht, rief wachsende Skepsis hervor, ob die amtierende Regierung überhaupt in der Lage ist, eine funktionierende Wirtschaft ohne Hilfe aus dem Ausland zu organisieren. Diese konnte nur noch aus der westlichen Hemisphäre kommen, da sich die Hoffnung auf Unterstützung durch die sozialistischen Länder, insbesondere die UdSSR als größter Sponsor, zerschlagen hatte. Die Opposition hakte bei zwei neuralgischen Punkten ein: Erstens versprach sie, die Wehrpflicht nach ihrem Wahlsieg abzuschaffen. Die war unpopulär geworden, nachdem ständig von der FSNL versichert wurde, die Contras sind geschlagen. Wozu dann noch die Wehrpflicht? Dieser Lapsus könnte den Sandinos eine halbe Million Stimmen unter den Jugendlichen gekostet haben, was mehr als ein Drittel aller Stimmberechtigten ausmacht. Nicht von der Hand zu weisen: die destabilisierende Rolle der USA, die seit der Ära ihrer Politik des „big stick“ und „pax americana“ eine nur unwesentlich modifizierte Gendarmenrolle in Latain-Amerika spielt. Die von Washington favorisierten Contras und der gegen die sandinistische Regierung angezettelte Vertretungskrieg hat dem Land Schäden in Millionenhöhe und rund 50.000 Nikaraguanern das Leben gekostet.

Nunmehr werden die Vereinigten Staaten den Rettungsanker auswerfen und mit Finanzspritzen und Wirtschaftshilfe ihre Interessen durchsetzen. Das ist das zweite Argument, mit dem die Opposition einen weiteren „Volltreffer“ landen konnte.

Mit dem Sieg der bürgerlichen Opposition wird die einzige wirksame Agrarreform (außer der auf Kuba) in Lateinamerika zurückgenommen werden müssen. Die Wirtschaft wird liberalisiert, alles geht seinen kapitalistischen Gang. Ein trauriger Verlust für diesen Teil der Erde, ein kleines Land, das versucht hat, sich gegen die Giganten des Kapitals zu wehren. Der Versuch, weder einen kapitalistischen noch einen kommunistischen Entwicklungsweg einzuschlagen, ist gescheitert.

Andre Beck