DDR-Güterverkehr soll zurück auf die Straße

In Ost-Berlin wurde ein Konzept zur rasanten Marktwirtschaftisierung der volkseigenen DDR-Verkehrskombinate vorgestellt / Starker Zuwachs der Gütertransporte soll den LKW-Verkehr als „echte Alternative zur Reichsbahn“ etablieren  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Mit durchgetretenem Gaspedal und ohne Rücksicht auf die Umwelt wollen die volkseigenen Kraftverkehrskombinate Anschluß an das Verkehrswesen der Bundesrepublik finden.

Ziel eines von allen Kombinaten beschlossenen Entwicklungskonzepts ist nach den Worten ihres Beauftragten Peter Thiemann, den „Gesamtzweig Kraftverkehr der DDR in eine marktwirtschaftliche Unternehmensstruktur zu überführen“. Mit dem Konzept, das aus den Transportbetrieben „selbständige und funktionsfähige Unternehmen“ machen soll, die „effizient und flexibel arbeiten“, wird sich am Donnerstag die Regierung beschäftigen. Noch im März sollen entsprechende Gesetzentwürfe in enger Anlehnung an die Gesetzeslage in der Bundesrepublik und den bevorstehenden EG -Binnenmarkt vorliegen.

So soll zunächst das in Staatseigentum befindliche Vermögen von einer Treuhandgesellschaft übernommen werden. Die gegenwärtigen Kombinatsleitungen seien „überflüssig“ und würden durch Unternehmensberatungsgesellschaften ersetzt.

Als Gesellschaftsform der künftigen Transportunternehmen komme vor allem die Aktiengesellschaft (AG) in Frage, für kleinere auch die Umbildung in GmbHs. Einzelunternehmer, die es auch bisher schon gegeben hat, bildeten eine „sinnvolle Ergänzung und Bereicherung des Wettbewerbs im Kraftverkehrswesen“, meinte Thiemann.

Zur Deckung des „enormen Finanzbedarfs“ schlagen die Verkehrsstrategen die Gründung einer „Transportbank“ vor, die wiederum als AG „vor allem von westdeutschen Banken“ getragen werden soll.

Weiter sollen eine zentrale Transportbörse, eine Leasing -Gesellschaft und analog dem „Bundesverband für den Fernverkehr“ im Westen ein Lobby-Verband der Transportunternehmer geschaffen werden. Die Westberliner „Economy Unternehmensberater GmbH“ wird schon in der kommenden Woche ein zentrales Schulungszentrum übernehmen und fortan die DDR-Transporteure ausbilden.

Thiemann hofft, den etwa 150.000 im Verkehrssektor Beschäftigten mit der gestern vorgestellten Konzeption „eine zukunftssichere Perspektive und gesicherte Arbeitsplätze“ bieten zu können. Es sei notwendig, die Infrastruktur sprich: die Straßen - in den kommenden Jahren schwerpunktmäßig auszubauen.

Der Gütertransport über die Straße werde so zur „echten Alternative zur Deutschen Reichsbahn“, die gegenwärtig einen viel größeren Anteil der Warentransportes bestreitet als die „Deutsche Bundesbahn“ in der Bundesrepublik.

Die im Westen von Umweltschützern mit Grausen beobachtete rasante Transportverlagerung von der umweltfreundlichen Bahn auf die Straße spielt bei der Umwandlung des Transportsektors der DDR offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Erst auf Nachfrage erklärte Thiemann, der Güterverkehr auf der Straße dürfe auch nicht „ausufern“. Heinz Becker, Unternehmensberater von der Westberliner „Economy GmbH“, ergänzte mit treuherzigem Augenaufschlag: Allein die Modernisierung der LKW-Flotte in der DDR werde „einen großen Betrag zum Umweltschutz leisten“.