Der Senat demütigt

KiTa-Streik - die letzte Chance der Erzieherinnen  ■ K O M M E N T A R

Pech für die Erzieherinnen, daß sie keine Müllkutscher sind. Denn die haben einen Zusatztarifvertrag. Und selbst wenn sie einen erstreiken müßten, der Senat säße nach spätestens einer Woche am Verhandlungstisch. Volle Mülltonnen kann man nicht mal eben bei der Nachbarin unterstellen oder mit ins Büro nehmen. Die gesellschaftliche Bedeutung von Müllkutschern wird jedem - auch den Politikern - schlagartig klar, sobald sie die Arme verschränken. Nicht so bei Erzieherinnen - wenn die streiken, dann landet die Arbeit auf dem Schoß derjenigen, die sie eigentlich schon immer getan haben: die Mütter.

Pech für die Erzieherinnen, daß sie in historische Zeiten geraten sind. Man redet lieber über Berlin, die Metropole und Hauptstadt. Da haben zwar die Leute Verständnis für die Forderungen, aber bitte keinen Streik und nicht jetzt. Nur, wann dann? Auch der Naivste kann absehen, daß sich die Situation in den KiTas verschlimmern wird, weil die Zahl der Kinder viel schneller wachsen wird als die der Erzieherinnen. Dann aber schert sich der Senat erst recht nicht mehr darum, mit dem Hinweis, in Pankow und anderswo sähe alles noch viel schlimmer aus.

Und noch mal Pech für die Erzieherinnen und die Kinder, daß der Kampf um verbesserte Arbeitsbedingungen zunehmend zum Showdown zwischen Senat und Gewerkschaften verkommt. Daran sind beide nicht unschuldig, nur hat der Senat mit seinem gestrigen „Nein“ zur Einschaltung eines Vermittlers noch eins draufgesetzt. Das Angebot, auf arbeitsrechtliche Maßregelungen der Streikenden zu verzichten, hat mit Verhandlungen nichts mehr zu tun. Es zielt auf Demütigung ab. Worüber dann vollends vergessen wird, worum es eigentlich geht: um einen letzten Versuch, den Beruf der Erzieherin nicht zum Aufpasserjob mit Erste-Hilfe -Kenntnissen zu degradieren. Genau das wird passieren, wenn es keinen Tarifvertrag gibt. Die Frauen und Männer in den KiTas sind inzwischen schlau und gebrannt genug, sich nicht auf weniger einzulassen. Andernfalls kann man keinem Menschen mehr empfehlen, sich auf diesen Beruf einzulassen.

Andrea Böhm