Energiemarkt DDR

■ Westdeutsche Stromkonzerne geben sich die Klinke in die Hand / Das Beispiel der Dresdener Dreckschleuder

Dresden (taz) - Das marode Energieversorgungssystem der DDR gehört zu jenen Umweltbereichen, in denen die Weichen am schnellsten neu gestellt werden. Die westdeutschen Stromkonzerne treiben diesen Prozeß mit großer Hast voran, bevor die Basisinitiativen überhaupt in die Startlöcher kommen. Dafür bietet der Fall Dresden interessantes Anschauungsmaterial. Das erfuhren Hamburger Energieexperten auf der Dresdner Umweltkonferenz und bei einem Besuch im örtlichen Heizkraftwerk Nossener Brücke.

Die Führungskräfte des Dresdner Energiekombinats haben schon Besuche bei den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) hinter sich, Vereinbarungen über Schulungskurse bei der PreussenElektra in Hannover sind angeblich perfekt. Der Leiter der Dresdner Dreckschleuder Nossener Brücke verriet den Hamburgern, daß ein Gutachten über das künftige Energiekonzept in Dresden bereits an die Firma „Kraftanlagen Heidelberg“ vergeben ist - eines jener handverlesenen Ingenieurbüros, das in der Bundesrepublik für die großen Energiekonzerne gutachten darf.

Während in Westdeutschland die Bestrebungen dahin gehen, die Energieunternehmen wieder in die kommunale Verfügung zurückzuführen, was aber an ihrer Finanzschwäche scheitert, gibt es zumindest in Dresden entgegengesetzte Pläne. Nach Informationen der Hamburger Umweltinitiativen wird in den Führungsetagen des Energiekombinats diskutiert, zwar das Verteilernetz den Kommunen zu überlassen, die Energieproduktion selbst aber in einem zentralen Unternehmen zusammenzufassen. Aus seinen Gesprächen mit den BRD -Konzernen hat Kraftswerkleiter Mißbach offensichtlich die Erkenntnis gewonnen, daß eine Aktiengesellschaft mit kommunaler Beteiligung die für Dresdner Verhältnisse günstigste Eigentumsform darstelle. Daß damit jedoch der Einfluß der Kommunen praktisch ausgeschaltet würde, konnten die Hamburger den Dresdnern am Beispiel des Rausschmisses des schleswig-holsteinischen Energieministers Günter Jansen

-und zwar per Aktienrecht - eindrucksvoll belegen.

Führt man sich zudem vor Augen, daß allein die dringend notwendige neue Rauchgasreinigungsanlage für das Heizkraftwerk Nossener Brücke 440 Millionen Westmark kosten soll und das gesamte kaputte Fernwärmenetz der Stadt nur mit Hilfe der westdeutschen Stromindustrie erneuert werden könnte, dann wird klar, wer am Ende die Aktienmehrheit in einer zukünftigen Dresdner Energiekombinat AG besitzen wird.

Gabi Haas