DDR plant Militärreform

■ Verteidigungsminister erläuterte vor dem Runden Tisch Militärreform / Grenzschutz soll aus der NVA herausgelöst werden / Berufsarmee geplant

Ost-Berlin (dpa) - Die DDR will bis zum Ende des Jahres ihre Grenztruppen aus der Nationalen Volksarmee herauslösen. Der Grenzschutz soll künftig dem Innenministerium unterstellt werden. Dies kündigte Verteidigungsminister Theodor Hoffmann am Montag vor dem Runden Tisch in Ost-Berlin an.

Ein entsprechender Beschluß von Verteidigungs- und Innenministerium werde gegenwärtig für die Regierung vorbereitet. Verteidigungsminister Hoffmann erläuterte vor den Vertretern von Parteien und Oppositionsbewegungen die Grundzüge der geplanten Militärreform in der DDR.

Hoffmann sprach sich gleichzeitig für eine weitestgehende Reduzierung der Streitkräfte in den nächsten Jahren aus. Dies könne, so der Verteidigungsminister, allerdings nicht von heute auf morgen geschehen. Es gebe konzeptionelle Überlegungen, bei weiter erfolgreichen Verhandlungen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) bis 1993 eine Berufsarmee von 70.000 Mann zu schaffen. Auf die seit 1962 bestehende Wehrpflicht könne die DDR jedoch vorerst nicht verzichten, ohne die Bewachung von Objekten zu gefährden.

Der Parteichef der PDS, Gregor Gysi, hatte demgegenüber auf dem Parteitag vom Wochenende den Vorschlag eingebracht, die Nationale Volksarmee zu einer Berufsarmee umzuwandeln und daraufhin die allgemeine Wehrpflicht aufzuheben.

Am Runden Tisch erläuterte Verteidigungsminister Hoffmann seine konzeptionellen Vorstellungen zur Zukunft der Nationalen Volksarmee weiter: „Die Armee ist bereit, sich selbst in Frage zu stellen und aktiv an der Erneuerung mitzuarbeiten“, sagte Hoffmann.

Der Runde Tisch lehnte zugleich in einem Positionspapier zur Militärreform die Einrichtung eines gemeinsamen Bundesheers mit der Bundesrepublik von 150.000 bis 200.000 Mann, wie von Verteidigungsminister Hoffmann in der vergangenen Woche vorgeschlagen, ab. Der Vorschlag sei an die Öffentlichkeit gebracht worden, ohne daß der Runde Tisch zu Rate gezogen worden sei, erklärte ein Vertreter der Grünen Partei. Das Vorpreschen des Ministers sei nur geeignet, weitere Irritationen bei den Nachbarn der beiden deutschen Staaten hervorzurufen.

Der Runde Tisch sprach sich für eine Auflösung der Militärblöcke aus. Bis dahin bleibe die DDR jedoch im Warschauer Pakt. Eine neue deutsche Nationalarmee müsse, solange der Abrüstungsprozeß in Europa nicht vollendet sei, in die europäischen Sicherheitsstrukturen eingebunden werden. Weiter forderte das Gremium die Ernennung eines Wehrdienstbeauftragten der Volkskammer, ein Abrüstungsamt sowie die Besetzung des Postens des Verteidigungsministers mit einer zivilen Person. Der Runde Tisch sprach sich weiter gegen das Wirken von Parteien und politischen Vereinigungen in der Armee aus.

Hoffmann appellierte an den Runden Tisch, gemeinsam der Auflösung der Armee Einhalt zu gebieten und die NVA nicht zum Objekt des Wahlkampfes zu machen. Unter den Soldaten herrschten angesichts der geplanten Personalreduzierungen große Besorgnisse über ihre Zukunft. Die soziale Unsicherheit werde noch verstärkt durch die Situation der Ehepartner, die häufig ebenfalls als zivile Kräfte bei der Armee beschäftigt und nun häufig von Arbeitsplatzverlust betroffen seien.

Zu einer „echten Aufgabe“ der Armee gehöre auch die Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte, erklärte Hoffmann. Die NVA sei bereit, an der Bekämpfung von Umweltschäden mitzuwirken. Zur Zeit werde überlegt, welche militärischen Übungsgebiete der zivilen Nutzung übergeben werden könnten. Sperrgebiete seien erheblich reduziert worden.