Weitermachen - aber wie?

In der bundesdeutschen Solidaritätsszene ist der Schock noch lange nicht verdaut. Wer am Montag fassungslos war, ist es auch noch heute, wenngleich das Bekanntwerden des unerwarteten Ergebnisses eine rege Diskussion auslöste. Daß man so felsenfest von dem Sieg der SandinistInnen ausgegangen war, ließ so manche an der eigenen politischen Einschätzung zweifeln. Wichtiger und ebenso problematisch: die Frage, was nun werden soll.

„Wir machen auf jeden Fall weiter“ - darin sind sich Soli -Gruppen einig. Wie eine Unterstützung aussehen soll, wenn in zwei Monaten die Uno nicht nur die Regierung, sondern auch die Bürgermeister der meisten Gemeinden stellt, darüber gehen die Meinungen zur Zeit noch auseinander. Das Wuppertaler Info-Büro Nicaragua schließt eine Zusammenarbeit mit der Uno aus: „Wir vom Info-Büro werden die laufenden Projekte vernünftig zu Ende führen“, erklärt dort Barbara Lucas, „aber perspektivisch werden wir nur die Frente Sandinista unterstützen oder verschiedene Basisorganisationen. Das ist immer unser Kriterium gewesen: nicht bloß Geld rüberzuschieben, sondern die Unterstützung als Ausdruck politischer Solidarität mit denen zu begreifen, die den revolutionären Prozeß vorantreiben.“

Auch eine Gruppe namens APES aus Darmstadt, die Maschinen und Ersatzteile, jährlich eine Million DM, für Nicaragua besorgt, will versuchen, „revolutionäre Strukturen, die sich halten können, zu finden“. Ansonsten werden Hilfeleistungen, die bislang vorwiegend an Staatsbetriebe gingen, eingestellt werden. APES wurde im letzten Jahr von der EG finanziell unterstützt, einen neuen Antrag will man nicht stellen.

Für Städtepartnerschaften ist es problematischer, auf den Regierungswechsel in Nicaragua zu reagieren. Die angekündigte Wahlfete des Städtepartnerschaftsvereins Kreuzberg/San Rafael hat zwar trotz alledem stattgefunden, geriet aber zum Diskussionsabend. Auch hier war klar, „daß wir nicht mehr so weiterarbeiten können wie bisher“. Dieter Radde weiß jedoch auch, „daß wir die Basisprojekte nicht im Regen stehenlassen können“.

Der Nicaraguaverein Hamburg, der die Städtepartnerschaften koordiniert, sieht im Moment nur zwei Lösungsmöglichkeiten. „Wir müssen die angefangenen Projekte beenden, auch wenn es noch so schmerzlich ist, sie dann einem Uno-Bürgermeister zu übergeben“, erklärt Reiner Rischmüller, „und gleichzeitig versuchen, eine Parallelstruktur zur Gemeinde aufzubauen, in der wir mit der Frente weiter zusammenarbeiten können.“ Kein einfaches Unterfangen, zumal von Städten, die offizielle Partnerschaften unterhalten: „Solidarität und Verwaltung könnten da gegeneinanderlaufen, weil es den hiesigen Stadtverwaltungen vielleicht egal ist, mit wem sie ihre Partnerschaft betreiben.“

Annette Goebel