Was wird aus Nicaraguas Armee?

Ein Konflikt um die Besetzung der Kommandostrukturen scheint vorprogrammiert / FSLN möchte Verhandlungen über einen Sonderstatus der Armee / Contra-Führer wollen von Demobilisierung nichts wissen / Ergebnisse der Parlamentswahlen entsprechen dem Trend  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Jubel bei der Uno - Ratlosigkeit, Trotz und Furcht bei den Sandinisten: Der Tag nach der Wahl ist von Ungewißheit geprägt. Während der politische Rat der Uno (Union Nacional Opositora) damit beschäftigt ist, unter Wahrung des Parteiproporzes die Kabinettsposten auszukungeln, rüstet sich die sandinistische Basis für mögliche Revancheaktionen der künftigen Machthaber. Die sandinistischen Basisorganisationen werden alle paar Stunden zu Versammlungen gerufen, um neue Instruktionen zu empfangen. Sie organisieren nächtliche Wachdienste in den Straßen und beginnen Vorräte für eventuelle Notfälle anzulegen. Montag nacht kam es zu ersten Zusammenstößen in verschiedenen Bezirken Managuas. Gruppen jugendlicher Uno-Anhänger, mit Steinen und Holzprügeln bewaffnet, trafen auf trotzige Sandinisten, die zurückschlugen. Bei FSLN-Fahrzeugen wurden die Scheiben eingeschlagen, mehrere Verletzte mußten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Man rechnet damit, daß sich die Konfrontationen noch zuspitzen werden, wenn einmal die internationalen Wahlbeobachter abgereist sind. Deren Mandat ist mit dem Abschluß der Auszählung abgelaufen und erstreckt sich nicht mehr auf die Übergangszeit bis zum 25. April.

Die scheidende Regierung hätte es in der Hand, den Nachfolgern das Regieren schwerzumachen, etwa durch Vernichten von Unterlagen in den Ministerien oder schwer rückgängig zu machende Maßnahmen in letzter Minute. Im „Interesse eines friedlichen Übergangs“ bietet sie der Uno Verhandlungen über einen Sonderstatus der Armee an, vielleicht auch des Innenministeriums. Der Aufnahme von Contra-Kommandanten in die Kommandostruktur, wie sie die Uno vorsieht, würden sich mit Sicherheit viele Offiziere widersetzen.

In einem Glückwunschtelegramm an Violeta Chamorro erwähnt der Contra-Generalstab eine künftige Demobilisierung mit keinem Wort. Im Gegenteil: Es gibt innerhalb der Uno-Führung Leute, die die sandinistische Armee überhaupt durch die Contra-Truppen ersetzen wollen.

Verunsicherung und ein gewisses Machtvakuum machen sich in diesen Tagen nach dem großen Schock bemerkbar. Innenminister Tomas Borge hat Montag eine bereits angekündigte Pressekonferenz kurzfristig wieder abgesagt. Regierungsfunktionäre meiden die Öffentlichkeit, seit Daniel Ortega die Schlappe eingestanden hat.

Nach Auszählung von 82 Prozent der Stimmen hat sich der Trend bestätigt: 55,2 Prozent für Chamorro, 40,8 Prozent für Ortega. Bei der Parlamentswahl lag das Verhältnis ähnlich bei 54,8 zu 40,7 Prozent.

Während die sowjetische Regierung das Wahlergebnis als „rechtmäßig“ bezeichnete und Gespräche über die künftigen Beziehungen ankündigte, hat Bonn entschieden, die Entwicklungshilfe für Nicaragua wiederaufzunehmen. Gastkommentar auf Seite 10