Schwer beeindruckt

■ Bausenator Nagel führte seinen DDR-Amtskollegen gestern in Kreuzberg herum / „Früher sah das hier alles anders aus“ / Wohnungsfrage wird drüben immer wichtiger

„Auch heute noch wird S.T.E.R.N. von manchen Institutionen bedroht“, sagte Bausenator Nagel zu den Gästen aus der DDR. „Vom Bausenator zum Beispiel“, sagte S.T.E.R.N.-Chef Hämer spitz. Gelächter der Westler, aber mit diesen Insiderwitzen können Ost-Bauminister Baumgärtel (CDU) und Staatssekretär Preuer nicht viel anfangen. Sie lassen sich erstmal alles erklären und sind schwer beeindruckt von der behutsamen Kreuzberger Stadterneuerung. Anderthalb Milliarden sind, so Hämer, in den zehn Jahren in den Stadtteil geflossen, in denen die Stadtplaner der IBA und ihrer Nachfolgerin S.T.E.R.N. dort arbeiten.

Zur Verdeutlichung zeigt Hämer einen alten Plan. „Dieses weiße Meer, das sind Sie, Ost-Berlin. Und dieses Autobahnkreuz darunter war auf dem Oranienplatz geplant.“ Hämer ist in seinem Element. „Sanierung ist keine bauphysikalische Frage, sondern muß an den Bewohnern orientiert sein“, sagt er, und: „Das Todesurteil für die Städte der DDR wäre es, das Vorkriegsrecht wieder herzustellen.“

Die Gäste sind nicht nur aus Neugierde in West-Berlin. Die Wohnungsfrage wird drüben immer wichtiger. Zu Problemen mit Gammelhäusern kommt jetzt die Angst vor Spekulanten. „Wir als treuhänderischer Träger arbeiten ohne finanzielles Interesse an hohen Mieten“, sagt Hämer. Die 25 Millionen, die Nagel an den Prenzlauer Berg verteilt, werden aber trotzdem an einzelne Büros ohne Träger vergeben.

Auf der anschließenden Stadtrundfahrt wird der Musterstadtteil vorgeführt: ein gammeliges Haus („Früher sah hier alles so aus, heute muß man danach suchen“), das NKZ, das Betonmonster über der Dresdener Straße und die KiTa in der Dresdener Straße. Die allerdings hat zu, man streikt. „Die Erzieherinnen wollen einen Tarifvertrag, aber das geht nicht“, kommentiert Nagel. Die private KiTa gegenüber ist offen, aber die ErzieherInnen dort sind nicht begeistert. „Sie sind schon die dritte Besuchergruppe heute“, sagt eine resolute Frau, läßt Nagel und Baumgärtel dann aber doch mit einem Kind für die Fotografen posieren.

Dann geht's weiter Richtung Märkisches Viertel. Im Bus meint ein S.T.E.R.N.-Mitarbeiter: „Ihr müßt mehr Selbstbewußtsein zeigen gegenüber den Westlern.“ Der Staatssekretär nickt: „Aber wo soll es denn herkommen?“

esch