Tempo-30-Pläne schleichen voran

■ Streit über Tempo 30 geht weiter / Verkehrssenator Wagner erzielte in Abstimmungsgesprächen keine Einigung mit Bezirken und Umweltverwaltung / Wagners Zugeständnis: Tempolimit eventuell auch in Hauptstraßen / Der Bezirk Reinickendorf fühlt sich „überfahren“

Nomen est omen: Der Tempo-30-Plan von Verkehrssenator Horst Wagner (SPD) kommt nur im Schneckentempo voran. Nach zweiwöchigen Abstimmungsgesprächen über die für das Frühjahr geplante flächendeckende Einrichtung von Tempo-30-Zonen konnte die Verkehrsverwaltung gestern keine Einigung vorweisen. Streitpunkt bleibt das Netz von Tempo-50-Straßen, das die Verkehrsverwaltung erhalten will, aber einer Reihe von Bezirken und der Senatsumweltverwaltung als überdimensioniert erscheint.

Eigentlich wollte die Verkehrsverwaltung anschließend an die Gespräche „zügig“ damit beginnen, die neuen Schilder aufzustellen. Es sei jetzt aber offen, ob das neue Tempolimit nicht auch auf einer Reihe von Hauptverkehrsstraßen eingeführt werden könne, räumte man gestern in der Senatsverkehrsverwaltung ein. Darüber müßte jetzt noch einmal diskutiert werden.

Neben den Fraktionen von SPD und AL fordern auch einige Bezirke sowie die Senatsumweltverwaltung, Tempo 30 auch auf Hauptstraßen zu verhängen. Gedacht ist an Strecken, die gleichzeitig Wohn- oder Einkaufsstraßen sind und auf denen aufgrund des starken Verkehrs besonders viele Unfälle passieren.

Für den Kurfürstendamm fordern sowohl der Bezirk Charlottenburg als auch AL und SPD Tempo 30; nach Ansicht der Umweltverwaltung sollte aber auch in der Schloßstraße in Steglitz, in der Neuköllner Karl-Marx-Straße und in der Berliner Straße in Tegel das erlaubte Tempo auf 30 Stundenkilometer gesenkt werden.

Diese Forderungen „werden zu erwägen sein“, gestand Referatsleiter Arild Peltz von der Verkehrsverwaltung gestern ein. Bisher hatte die Wagner-Behörde sich hier quergestellt. Begründung: Ein leistungsfähiges Netz von Tempo-50-Straßen sei nötig. Auch dort, wo BVG-Busse fahren, müsse weiter Tempo 50 gelten. Bei einigen Hauptstraßen wich die Verkehrsverwaltung schon in den Gesprächen der letzten zwei Wochen von ihrer harten Linie ab. Tempo 30 darf nun deshalb auch auf dem Straßenzug Langenscheidt -/Monumentenstraße in Schöneberg und auf der Spanischen Allee in Zehlendorf gelten. Außerdem sollen eine ganze Reihe von Nebenstraßen, die zu einem 200 Kilometer umfassenden „Ergänzungsnetz“ gehören, entgegen den ursprünglichen Plänen der Wagner-Behörde in den Genuß von Tempo 30 kommen.

„Zu meiner Überraschung haben sie eine ganze Menge zugestanden“, staunte sogar der Steglitzer AL -Wirtschaftsstadtrat Udo Bensel. Weiterhin unzufrieden sind dagegen die Bezirke Kreuzberg und Charlottenburg. Wagner sei weiter „finster entschlossen“, den Kudamm von dem neuen Tempolimit auszunehmen, beklagte auch der Charlottenburger Wirtschaftsstadtrat Heinrich (CDU). In einem Bezirk - dem fernen Rinickendorf - ist freilich die ganze Debatte noch gar nicht angekommen. Das Bezirksparlament beschäftigte sich an diesem Dienstag zum ersten Mal mit Wagners Tempo-30 -Plänen. Eine abschließende Meinung bildeten sich die Bezirksverordneten trotzdem noch nicht; sie fühlten sich „überfahren“ von den Plänen - die Wagner schon im November zugeschickt hatte. Sicher habe das alles „noch vier Wochen Zeit“, entschuldigt sich der SPD-Verordnete Hans-Jörg Becker. Man sei jetzt doch sehr mit anderen Dingen, wie der Wahlkampfunterstützung für die Genossen in der DDR, beschäftigt.

hmt