Mutierte Matrosen

■ „Leviathan“ - Das Grauen aus der Wodkaflasche

Einen Horrorfilm zu drehen, ist, entgegen der landläufigen Meinung, gar nicht so einfach. Ein echter Schocker bewegt sich immer am Rande der Lächerlichkeit. Ein, zwei verpatzte Szenen und das ganze Ding kippt um.

Die Produktionscrew von Leviathan ging lieber auf Nummer sicher: Sie klauten einfach die Geschichte eines der erfolgreichsten SF/Horrorfilme der letzten Jahre, die von Ridley Scotts Alien. Zwar sind Weltraumfilme zur Zeit out, aber Tiefseereißer wie Abyss oder Deep Star Six bringen nach wie vor ihr Geld. Also wurde das Monster kurzerhand ein paar tausend Meter unter den Meeresspiegel versenkt, und Regisseur George Pan Cosmatos (der schon mit den stumpfsinnigen Gewaltorgien RamboII und Die City -Cobra unangenehm aufgefallen war) konnte mit seiner Kopierarbeit beginnen. Das machte er sehr sorgfältig: Als Drehbuchschreiber verpflichtet er David Peoples, der auch den Roman geschrieben und der bei einem anderen erfolgreichen Ridley-Scott-Film, Blade Runner, das Drehbuch verfaßt hatte. Dann wurden die Kulissen aus Alien nachgebaut. Was dort der Raumfrachter „Nostromo“, ist hier die Tiefseestation einer Minengesellschaft. Auch die Charaktere der Protagonisten sind exakt abgekupfert: Da gibt es die starke Frau (überlebt), die schwache Frau (stirbt), den leicht verrückten Wissenschaftler (stirbt), den Alibi-Schwarzen (stirbt als letzter), zwei blöde Arbeiter (sterben natürlich) und den Boß der Gruppe (überlebt). Selbst das Tempo, in dem die Geschichte erzählt wird, entspricht genau dem des Weltraummärchens.

Die Mannschaft entdeckt auf dem Meeresgrund zwar nicht ein fremdes Raumschiff, sondern das Wrack eines Russendampfers, des „Leviathan“, aber für einen echten Amerikaner sind außerirdische Intelligenzen und Russen wohl dasselbe. Der Tresor des Schiffs wird geborgen und enthält, wen wundert's, ein paar Flaschen Wodka. Einer der Arbeiter gießt sich auch gleich ein anständiges Quantum von dem Zeug hinter die Binde und verwandelt sich tags darauf in ein schleimiges, blutsaufendes Monster. Der bescheuerte Wissenschaftler kommt schließlich dahinter, daß die Russen auf der „Leviathan“ offenbar Genexperimente an der eigenen Mannschaft durchgeführt haben. Aber irgendwas ging schief, und das Schiff mitsamt den mutierten Matrosen mußte versenkt werden.

Um die Fälschung ein bißchen zu kaschieren, bediente man sich noch bei ein paar anderen Horrorproduktionen und machte so aus dem Streifen einen echten Kennen-Sie-Kino-Film. Es gibt Szenen aus Das Ding aus einer anderen Welt, Elmer, den oben erwähnten Taucherfilmen, usw., usw. Das Verrückte an diesem frechen Plagiat: Es funktioniert! Trotz aller bekannten Szenen, Tricks und Dialoge ein spannender und schön gruseliger Film; nur das Monster ist dritte Wahl.

In den USA erhielt der Film begeisterte Kritiken, deshalb wird LeviathanII mit Sicherheit nicht lange auf sich warten lassen. Schließlich gibt es auch von Alien eine Fortsetzung.

Karl Wegmann

George P.Cosmatos: Leviathan, mit Peter Weller, Richard Crenna Amanda Pays; USA1989, 98Min.