Nieder mit Sepp Herberger

Die unwillkommene Revolution des Joao Havelange  ■  PRESS-SCHLAG

Joao Havelange, der brasilianische Präsident des Weltfußballverbandes FIFA, hat sich längst einen soliden Ruf als windiger Hans Dampf erworben, dem der Handel mit Fernsehlizenzen genauso vertraut ist wie der Abschluß diverser undurchsichtiger Geschäfte mit durchsichtigen Sportartikelfirmen. Als Krönung möchte er nun auch noch als großer Reformator in die Geschichte eingehen und rückt zu diesem Behufe ausgerechnet einer der heiligsten Ehrwürdigkeiten des Fußballs zu Leibe: Sepp Herberger.

„Das Spiel dauert 90 Minuten“, hatte der ein für alle Mal scheinbar unumstößlich festgelegt, doch Havelange schert sich nicht um eherne Gesetze und ewige Wahrheiten. Er will „das Spiel“, zumindest bei der WM 1994 in den USA, auf hundert Minuten ausdehnen, säuberlich aufgeteilt in vier Viertel zu je 25 Minuten.

Das hiesige Echo auf den Vorschlag des FIFA-Präsidenten war nahezu einhellig und ziemlich vernichtend. „Absoluter Schwachsinn“, sprach Thomas Häßler, „nicht begrüßenswert“ formulierte umsichtig Lothar Matthäus, einen „Schaden für den Fußball“, konstatierte Winfried Schäfer, „irgendwo muß einen Grenze sein“, findet Horst Köppel, gegen „Vierteilung“ verwahrte sich Bodo Illgner, einen „Kniefall vor den US -Fernsehanstalten“ vermutete Willi Lemke und selbst Havelanges Vize Hermann Neuberger befürchtet, daß „viel vom Reiz des Fußballs“ verloren ginge. Nur Christoph Daum sagte offensichtlich nix, vielleicht sollte mal jemand bei ihm zu Hause vorbeischauen, ob alles in Ordnung ist.

Einer mochte nicht in den allgemeinen Verdammungschor einstimmen: Franz Beckenbauer, der die Zukunft des Fußballs schon lange in der Vermarktung sieht und außerdem die US -Szene kennt, wo etwa Basketball oder American Football längst in quarter aufgeteilt sind. Dasselbe System schwebt Havelange vor: Pausen von zwei bis drei Minuten Länge zwischen den ersten beiden und den letzten beiden Vierteln, in denen das Fernsehen Werbung zeigt, in der Mitte eine Halbzeit von 15 Minuten Länge. „Diskutierenswert“ fand Beckenbauer, den Bewahrern des Herbergerschen Erbguts eine Nasenlänge voraus, den ketzerischen Vorschlag.

Auffallend ist die Heftigkeit, mit der plötzlich gegen eine vergleichsweise harmlose Idee zu Felde gezogen wird. Während die Aktivitäten der Herren Berlusconi, Pellegrini oder Tapie, das extensive Bepflastern von Stadien, Spielern, Schiedsrichtern und Sportgeräten mit Werbestickern, die künftige Einblendung der Sponsoren vor Fußball -Liveübertragungen, der zunehmende Einfluß der Wirtschaft auf Sportförderung, Fernsehen und Veranstaltungen kaum ein Achselzucken hervorrufen, löst eine unbedeutende Änderung des Spielsystems fast einen Volksaufstand aus, so, als wäre der Einfluß des Fernsehens auf das Regelwerk des Sports ein völlig neues Phänomen.

Bis 1994 wird Werbung während der Sportsendungen auch bei den Öffentlich-Rechtlichen längst gang und gäbe sein, und im übrigen hätte es weit schlimmer kommen können. Schließlich besteht ein Fußballspiel ohnehin im wesentlichen aus Unterbrechungen, da kommt es auf die paar Minuten zusätzlich nun weiß Gott nicht mehr an.

Ernst wird es erst, wenn Joao Havelange seine früheren Ideen wieder aus der Reformatorenkiste hervorkramt: die Verkleinerung des Balles und die Vergrößerung der Tore.

Matti