Der Tag des Apfels

■ Stolzer Eurokrat präsentiert Frucht monatelangen Ringens

Brüssel (taz) - „Sie haben es geschafft“ - Seufzer des Entzückens aus etwa 100 Kehlen. „70 Millimeter!“ Ein Raunen ging durch die Reihen des Pressesaals im Brüsseler Berlayemont-Gebäude. „Ganze fünf Millimeter mehr!“ Es war kaum zu glauben. Entsprechend stolz strahlte der frisch inthronisierte Pressesprecher des EG-Kommission, Bruno Dethomas. Obwohl er doch noch ganz neu war in diesem Geschäft, hatte man ihm erlaubt, als erster die heiße News bekanntzugeben. Und die Journaille? Sie hatte auf diesen Moment verzweifelt gewartet. Nun war der Tag da. Ein bekannter britischer Journalist wollte gleich die Gunst der Stunde nutzen und fragte nach der Asbestgefahr im Berlayemont-Gebäude. Doch es war ihm nicht vergönnt: Das soeben noch lebendig-offene Mienenspiel des Pressesprechers verkrampfte sich zum Gesichtsausdruck einer Buddha-Büste. „Gefahr? Wo denken Sie hin, die Kommission hat alles im Griff.“

Immerhin - der kurze Blick hinter die Kulissen hatte die wochenlangen Qualen der Langeweile wettgemacht, die die JournalistInnen bei den mittäglichen Pressepflichtveranstaltungen über sich ergehen lassen müssen. Denn heute konnten sie aus dem Saale eilen mit der Gewißheit, eine weltbewegende Nachricht in aller Welt zu verbreiten: „Nach langem, zähem Ringen haben sich die hohen Kommissare zu einer einheitlichen Mindestgröße durchringen konnen.“ Warum es den Kommissaren ging? Um Äpfel, genauer gesagt um „kommerziell verwertbare Äpfel“. Ihr EG-weiter Durchschnitt soll in Zukunft fünf Millimeter größer sein dürfen. Was für ein Tag!

-ard