Schlechter Stil im Geisel-Deal

■ Hinweise auf Direktverhandlungen Frankreichs mit Geiselnehmern seit 1987 / 'Liberation‘: Innenminister Pasqua versprach drei Millionen Dollar - wollte dann aber nicht zahlen

Paris (taz) - Zugesagte Geiselgelder sind keine Ehrenschulden, brauchen also nicht gezahlt zu werden - meint die französische Regierung. Nach Informationen von 'Liberation‘ hat der gaullistische Ex-Innenminister Charles Pasqua am 27. März 1987 den libanesischen Entführern von drei französischen Staatsbürgern ein Lösegeld von 3 Millionen Dollar versprochen, das dann nie bezahlt wurde. Das Attentat auf die DC10 der Fluggesellschaft UTA im September, bei dem 171 Menschen ums Leben kamen, soll, so 'Libe‘, mit dem „Vertragsbruch“ zusammenhängen.

Die Recherche des Blattes stützt sich auf Aussagen von Mittelsmann Scheich Abdul Zein und hohen Beamten der damaligen Pariser Regierung. Danach versuchte die Regierung Chirac auf zwei Wegen, die Geiseln noch vor den Präsidentschaftswahlen im Mai 1988 freizubekommen: einmal durch diplomatischen Druck auf den Iran und Syrien und - was schließlich zum Erfolg führte - durch streng geheime Verhandlungen mit der Hizbollah, letzteres von Paris stets bestritten.

Robert Bourgi, damals Berater des Entwicklungshilfeministers und selbst schiitischen Glaubens, bestätigt jetzt 'Libe‘, er habe über den Staatspräsidenten Senegals den religiösen Führer der westafrikanischen Schiiten, Scheich Zein, beauftragen lassen, sich für die Geiseln einzusetzen. Scheich Zein erhielt nach seiner Aussage während zweier Gespräche mit Pasqua die Zusage, Frankreich werde die drei Millionen zahlen sowie den Scheich bei seiner spirituellen Arbeit in Dakar unterstützen.

Als die drei Geiseln am 4. Mai 1988 - vier Tage vor den Präsidentschaftswahlen - in Beirut übergeben werden, sitzt der Scheich als Verhandler noch mit im Auto; kurz nach der Freilassung gilt er in Paris als Unperson. Pasquas Nachfolger teilt mit, es gäbe keine Hinweise auf außerdiplomatische Verhandlungen mit der Hizbollah. Auch ein Erinnerungsschreiben des senegalesischen Präsidenten an Mitterrand, das 'Libe‘ vorliegt, wollte nichts nützen. Am 18.9. veröffentlicht die libanesische Zeitung 'As-Shira‘ einen offenen Brief der Geiselnehmer, die die französische Regierung auffordern, „im Interesse aller die Irrtümer ihrer Vorgänger zu korrigieren“. Am 19.9. explodiert eine Bombe an Bord der UTA-Maschine.

Pasqua dementierte den Bericht. Er habe Scheich Zein zwar getroffen, jedoch nur, um mit ihm über die Situation der Libanesen in Afrkia zu sprechen. Einleuchtend, daß dafür ein französischer Minister höchstpersönlich in den Senegal fährt...

Alexander Smoltczyk