Afrikas Studenten fordern mehr Rechte

■ Schwarzafrikanische Studenten, einst Hätschelkinder der Nation, fordern Mitsprache, Demokratie und Mehrparteiensystem / Ihre Regierungen befürchten Massenproteste und reagieren nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche / Parallelen zu Osteuropa?

Nairobi (dpa/taz) - Schwarzafrikas Studenten, lange Zeit Hätschelkinder ihrer Nationen, werden zunehmend aufmüpfiger. Studentenunruhen erschüttern dieser Tage so manche bislang eher beschauliche Metropole des schwarzen Kontinents. In Abidjan und Libreville, Cotonou und Niamey, Lagos und Lusaka, Harare und Kinshasa tragen die künftigen afrikanischen Eliten ihren Unmut auf die Straße.

Dabei scheinen die Anlässe auf den ersten Blick banal. In Gabun forderten die Studenten mehr und besser ausgebildete Dozenten und eine besser bestückte Universitätsbibliothek. Ihre Kommilitonen an der Elfenbeinküste erzürnte, daß bei ihren Examensarbeiten immer wieder der Strom ausfiel und sie buchstäblich im Dunkeln saßen. Die Studenten aus Kinshasa in Zaire dagegen forderten mehr billige Busse zum Transport zwischen Wohnvierteln und Campus. Und den kenianischen Studenten in Nairobi platzte der Kragen, als eines mittags plötzlich das gewohnte hartgekochte Ei im Mensa-Essen fehlte.

Bislang verwöhnten viele afrikanische Staaten ihre Bildungseliten. Nahezu jeder Student erhielt ein Stipendium, und der künftige Arbeitsplatz war garantiert, der Einfachheit halber im Staatsdienst. Doch seit kurzem weht ein rauherer Wind. Die meisten Staaten Afrikas sind finanziell am Ende. Selbst die Elfenbeinküste und Gabun, die noch vor wenigen Jahren als überaus solide und solvente Partner galten, müssen den Gürtel nun weit enger schnallen. Um überhaupt noch Kredite zu erhalten, müssen sie sich den Sparauflagen von Weltwährungsfonds und Weltbank beugen. Dazu gehören Einsparungen im Bildungsbereich und drastischer Personalabbau in der Staatsverwaltung. Die Studenten sehen sich dadurch ihrer Stipendien und Zukunftshoffnungen auf einen Job im Staatsdienst beraubt.

Freilich, die bedrängten Regierungen haben längst erkannt, daß die lautstarken Proteste ihrer künftigen Eliten zwar von gravierenden Versorgungsmängeln reden, in Wahrheit aber vor allem die verknöcherten politischen Strukturen ihrer Heimatländer meinen. Denn auch die schwarzafrikanischen Studenten haben die politischen Entwicklungen in Osteuropa aufmerksam verfolgt und so manche fatale Parallele zur eigenen Situation entdeckt: beamtenlahme Bürokratien und beschnittene Bürgerrechte, autokratische Einparteien -Regierungen und rachitische Volkswirtschaften.

Viele der afrikanischen Staatsoberhäupter indes meinen, sie hätten keinerlei Lehren aus den Ereignissen in Osteuropa zu ziehen. Sie versuchen, die Lage nach dem bislang bewährten Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche in den Griff zu bekommen und ein Überspringen des Protestfunkens auf breite Bevölkerungsgruppen zu verhindern. Erst gab Benins Staatschef Mathieu Kerekou Befehl, auf jeden Demonstranten warnungslos zu schießen. Dann ließ er eine Verfassungsversammlung mit Vertretern der Opposition zu, um die Verfassung zu reformieren. Gabuns Präsident Omar Bongo kündigte Lohnerhöhungen und Steuerermäßigungen an, bildete die Regierung um und will die Einheitspartei PDG durch eine neue sozialdemokratische Sammlungsbewegung ersetzen. Felix Houphouet-Boigny, das greise Oberhaupt der Elfenbeinküste, beschloß dagegen, nachdem er jedwedem Mehrparteiensystem eine harsche Abfuhr erteilt hatte, erst einmal für volle Studentenmägen zu sorgen.

So unterschiedlich die einzelnen Maßnahmen zur Beruhigung der Lage auch ausgefallen sein mögen, in einem sind sich alle betroffenen Regierungschefs einig: Schuld an der Misere sind die Auflagen des Internationalen Weltwährungsfonds (IWF) und die harten Weltmarktbedingungen.

Die Studenten allerdings geben sich mit solchen allgemeinen Hinweisen nicht zufrieden und fordern Mitsprache, demokratische Verhältnisse und Mehrparteiensysteme. Unterstützt werden sie von der Weltbank und der UNO -Wirtschaftskommission für Afrika, die ebenfalls eine Beteiligung der bislang unmündig gehaltenen Massen am politischen Entscheidungsprozeß in Afrika fordern. Auch der tansanische Parteichef und „elder statesman“ Julius Nyerere springt den Studenten bei: „Es ist keine Ketzerei, über ein Mehrparteiensystem nachzudenken“.

wasa