Exxon vor den Kadi

■ Nach fehlgeschlagenen Vergleichsverhandlungen droht dem Ölmulti eine Verurteilung zu 640 Millionen Dollar Strafe

Berlin (taz) - Der US-Ölmulti Exxon wird sich im Zusammenhang mit der Ölkatastrophe im Golf von Alaska, bei der seit Karfreitag 1989 etwa 1.600 Kilometer Küste mit Rohöl verseucht worden waren, nun doch vor Gericht zu verantworten haben. Ende letzter Woche hatte es noch so ausgesehen, als ob das Unternehmen trotz heftigen Widerstands von Umweltverbänden und den alaskanischen Behörden mit der US-Regierung auch ohne Prozeß handelseinig werden könnte.

Wie Justizminister Thornburgh am Dienstag in Washington bekanntgab, habe sich Exxon nicht auf die Bedingungen der Regierung einlassen wollen und soll nun wegen der von ihm verschuldeten Ölpest im Prinz-William-Sund in fünf Hauptanklagepunkten der Prozeß gemacht werden. Wenn Exxon in allen Punkten für schuldig befunden würde, müßte der Konzern eine Entschädigungssumme von 640 Millionen Dollar zahlen, eine Summe, die aufgrund aktueller Schätzungen über das Ausmaß der Umweltschäden festgelegt wurde.

Während Exxon-Chef Lawrence Rawl seine Enttäuschung über die Entscheidung des Bundesgerichts kundtat und meinte, es habe sich bei der Havarie der „Exxon Valdez“ um einen „tragischen Unfall“ gehandelt, niemand habe den Tanker „absichtlich auf Grund gesetzt“, beschuldigte Thornburgh das Unternehmen wegen Verstoßes gegen Bundesgesetze über die Sicherheit von Häfen und Wasserwegen, über den Transport gefährlicher Ladungen sowie gegen Gesetze über die Wasserqualität und zum Schutz von Zugvögeln. Außerdem wird Exxon vorgeworfen, die Fahrtroute verlassen und das Ruder einem Besatzungsmitglied überlassen zu haben, das dazu „physisch wie psychisch nicht in der Lage gewesen“ sei.

Umweltschützer und Behörden hatten in der vergangenen Woche mit wachsender Unruhe Exxons Bemühungen um einen außergerichtlichen Vergleich registriert und in Washington Druck gemacht. Trotz der Ankündigung ist ein Vergleich nach US-Recht auch nach der Anklageerhebung noch möglich. Zur Zeit läuft in Anchorage der Prozeß gegen den Kapitän der „Exxon Valdez“, der zur Zeit des Unfalls betrunken in seiner Koje gelegen haben soll.

Finanziell ist Exxon gut gerüstet: Auch wenn der Konzern verurteilt würde, ginge der Ölmulti nicht pleite. Nach Abzug mehrerer Milliarden Dollar für die Entschädigung von Fischern und die Reinigungsarbeiten hat Exxon 1989 ein Plus von schlappen 3,51 Milliarden US-Dollar gemacht. Und die Profite müssen für weitere Reparationen reichen: Bereits Mitte letzter Woche hatte das Unternehmen bekanntgegeben, daß es am 1. Mai die am 15. September abgebrochene Putzaktion an Alaskas Küsten wiederaufnehmen werde.

Henk Raijer