Aber bitte ein bißchen mehr Begeisterung!

Verdeckte Zwiste mit der Bruderpartei im Osten / Frage zur polnischen Grenze weiterhin ungeklärt / CSU und DSU bitten um mehr Begeisterung / Versuch, aufkommenden Sozialneid zu stoppen / „Wir bringen 16 Millionen Menschen ein, die ungeheure Hoffnung haben“  ■  Aus Passau Luitgard Koch

Zum zweiten Mal ohne F.J.S. trafen sich die Schwarzen zu ihrem traditionellen „Politischen Aschermittwoch“ in Passau. Dieses Jahr stand die „Bußandacht“ ganz im Zeichen der Wiedervereinigung. Mit stolzgeschwellter Brust feierten die Christsozialen mit den drei DSU-Vertretern ihrer Schwesterpartei im Osten den Niedergang des Sozialismus und ihren Uraltslogan: „Freiheit statt Sozialismus“.

„Noch nie war unser Motto so aktuell wie heute“, freute sich Waigel. Der abgehalfterte bayerische Umweltminister und niederbayerische CSU-Bezirksvorsitzende Alfred Dick begrüßte euphorisch die „lieben Landsleute aus der derzeitigen DDR“. Doch der Andrang aus dem Osten war nicht so groß, wie der Geschäftsführer der CSU-Kaderschmiede, Otto Wiesheu, vollmundig vor einer Woche noch vorausgesehen hatte. Lediglich ganze drei Busse hatten den Weg aus der DDR nach Passau gefunden. Gefragt, was sie hier erwarteten, meinte ein Sachse mit leuchtenden Augen: „Ich erwarte mir viel, ich hab‘ den Herrn Sedlmayer bisher nur vom Fernsehen gekannt.“ Der Schauspieler Sedlmayer tritt in zahllosen TV-Serien und Bierwerbungen als Paradebayer auf.

Aber auch die nach außen demonstrierte Verbundenheit der CSU-Größen mit ihren DSU-Freunden ist nicht ohne Mißtöne. So hatte am Vorabend der Generalsekretär der DSU, Michael Diestel, erklärt, für die DSU sei die Anerkennung der Westgrenze eine politische Überlebensfrage. Max Streibl betonte jedoch auf dem Spektakel: „Entscheiden wir erst ein gemeinsames Deutschland.“ Natürlich dürfe jeder, auch der DSU-Parteivorsitzende, der Leipziger Pfarrer Hans Wilhelm Ebeling, seine Meinung zur polnischen Grenze sagen. Der nach seiner anderthalbstündigen Rede vielbejubelte Theo Waigel wies darauf hin, daß erst nach der Wiedervereinigung eine „völkerrechtlich verbindliche Regelung getroffen werden kann“. Gleichzeitig betonte er: „Wir respektieren den Wunsch der Polen, in gesicherten Grenzen zu leben, niemand will eine zweite Vertreibung“.

Auch bei der Frage einer Änderung des Grundgesetzes sind sich die Schwarzen mit der östlichen Schwester nicht ganz einig. „Warum sollten wir so etwas Glänzendes, Bewährtes aufgeben“, verkündete er. In den Reihen der DSUler wurden jedoch bereits Stimmen laut, daß über eine Änderung des Bodenrechts im Sinne der DDR-Reform durchaus nachzudenken sei.

„Die DSU ist eine fröhliche Partei“, versuchte Ebeling in seiner sonst eher nachdenklichen Rede das Prinzip Hoffnung zu verbreiten. „Laßt euch nicht einschüchtern, klagt nicht.“ Und den Bayern in der Halle versuchte er jede Anwandlung von Sozialneid mit den Worten auszutreiben: „Wir bringen 16 Millionen Menschen ein, die eine ungeheure Hoffnung haben.“ Keinen Sozialneid aufkommen zu lassen, war auch das Bestreben der CSU-Größen, und vor allem vermißten sie die Stimmung. „Ein bißchen mehr Begeisterung und Freude darüber, daß 17 Millionen aus der Knechtschaft kommen“ verlangte Waigel.

Den saarländischen SPD-Ministerpräsidenten Lafontaine und Berlins Bürgermeister Momper beschimpfte Waigel als die „größten Subventionsempfänger“, die „das Maul am weitesten aufreißen“. Die SPD wolle im Sinne der SED ein zentralistisches Deutschland.