Keine Parade in Berlin

■ Erfolgreicher Besuch Mompers in den USA / Momper kritisiert Kohls Haltung zur polnischen Westgrenze

Washington (taz) - Über mangelndes Interesse konnte Walter Momper sich nicht beklagen. Zwei Tage lang wurde der Regierende Bürgermeister von Berlin auf seinem Staatsbesuch in Washington immer wieder nach seiner Einschätzung der Lage in der DDR und in Berlin befragt. Knapp vier Wochen, nachdem Momper mit den Franzosen und den Briten schon das Thema Berlin und die deutsche Einheit erörtert hatte, setzte er nun die Gespräche mit Präsident George Bush, mit Außenminister James Baker und Verteidigungsminister Richard Cheney fort.

Momper trug in Washington seinen Plan zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten vor, den er zuerst in London vorgestellt hatte: Danach soll bis zu einer umfassenden neuen europäischen Friedensordnung das Gebiet der DDR und Berlins entmilitarisiert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen in einem vereinigten Deutschland weder in der DDR noch in Berlin deutsche Truppen stationiert werden, sondern die alliierte Präsenz erhalten bleiben. Alle militärischen Rechte sollen in dieser Zeit den Vier Mächten unterliegen, die Sowjets in der östlichen Hälfte Deutschlands ebensoviele Truppen stationiert haben wie die West-Alliierten im westlichen Teil. Allerdings ist nicht mehr wie bisher an ein Besatzungsstatut, sondern vielmehr an ein Stationierungsstatut gedacht. Auch in Washington warb Momper für die KSZE-Konferenz in Berlin, mit der die Neuordnung Europas eingeleitet werden soll. Als Finanzierungsgrundlage für die Vereinigung schlug Walter Momper eine drastische Reduzierung des Militärhaushaltes und eine Verringerung der Bundeswehr auf 240.000 Mann vor.

Neben diesen allgemeinen sicherheitspolitischen Konzepten stand in Washington von amerikanischer Seite vor allem ein Thema auf der Tagesordnung: Die Anerkennung der polnischen Westgrenze. Nach dem Besuch von Bundeskanzler Helmut Kohl am Wochenende war die amerikanische Öffentlichkeit durch äußerst kritische Presseberichte aufgeschreckt. Immer wieder wurde Walter Momper nach seinem Standpunkt gefragt; er übte seinerseits scharfe Kritik an den Äußerungen Kohls: „Das Geeiere um die polnische Westgrenze ist politisch falsch und handwerklich ein Fehler.“

Neben einem Fahrplan zur schrittweisen Vereinigung der beiden Stadthälften, meinte Momper vor allem zwei Ergebnisse den Amerikanern abgerungen zu haben. Zum einen werde die seit 1961 alljährlich von den West-Alliierten abgehaltene Militärparade vermutlich nicht mehr stattfinden. Zum anderen gab sich Momper sicher, daß die Berliner sich im Dezember direkt an den Bundestagswahlen beteiligen dürfen.

Kordula Doerfler